Zeitgenossen – Pakt mit den Rittern des Dan Band III

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Leseprobe

Prolog

Manchmal warf ich mir selbst eine gewisse Sorglosigkeit vor. Eine Sorglosigkeit gegenüber dem Faktor Zeit, der für einen Sterblichen doch so wichtig war. Nun gut, als Vampirin war ich natürlich unsterblich. Zumindest beinahe, denn ein paar Dinge gab es doch, die uns Vampire verletzen oder gar töten konnten. Zwar stagnierte unser biologisches Alter ab dem Moment unserer Verwandlung, wir waren gegen Krankheiten immun und unsere Selbstheilungskräfte ließen nahezu jede Verwundung in kürzester Zeit heilen.
Jedoch konnte uns ein starker Gegner, beispielsweise ein anderer Vampir, im Kampf durch eine Enthauptung töten und auch gegen Feuer waren wir keineswegs gefeit. Verwundungen, die uns durch Waffen oder Munition aus Silber zugefügt wurden, blockierten unsere Selbstheilungskräfte – dadurch wurde Silber zu einem mächtigen Instrument für unsere Feinde.
Die grausamste Art, einen Vampir umzubringen, war allerdings der Biss eines Mort-Vivants, da jener Biss einen Vampir in Sekundenschnelle altern und zu Staub zerfallen ließ. Mort-Vivants waren Kreaturen, die erst nach ihrem Tod in Vampire verwandelt wurden. Wie genau diese Verwandlung funktionierte, haben meine Freunde und ich jedoch leider noch nicht herausfinden können. Unglückseligerweise besaßen die Sybarites, eine mächtige und grausame Vampirsekte, die wir uns zum Feind gemacht hatten, Kenntnis über das Geheimnis jener Verwandlung. Zumindest wussten ein paar hochrangige Mitglieder der Sybarites, wie man einen Mort-Vivant erschafft.
Dafür wussten leider wiederum die Ritter des Dan, wie gefährlich Silber für uns Vampire werden konnte. Die Ritter des Dan waren ein Geheimbund von Vampirjägern, dessen Ziel es zu sein schien, alle Vampire komplett zu vernichten. Sie waren menschlich und besaßen erstaunlich gute Kenntnisse über uns, deren Ursprung wir uns bislang noch nicht erklären konnten.

Angesichts solch mächtiger Feinde war es gut, dass ich gleichfalls einige langjährige und enge Freunde hatte. Einige von ihnen kannte ich inzwischen schon ein paar Jahrhunderte lang, gemeinsam mit mir hatten sie Freud und Leid, ebenso wie manches Abenteuer erlebt – das hatte die Bande zwischen uns natürlich gefestigt.
Einer der wichtigsten Freunde war beispielsweise Giles. Er hatte mich damals in eine Vampirin verwandelt, um mein Leben zu retten, als ein paar Sybarites mich überfallen und fast getötet hatten. Meine Beziehung zu Giles war nicht unproblematisch, denn ich liebte ihn und war ihm möglicherweise auch nicht ganz gleichgültig – dennoch gab es immer wieder große Differenzen zwischen uns, die uns dazu brachten, eine Zeitlang getrennte Wege zu gehen.
In solchen Phasen suchte ich gerne das Gespräch mit meiner Freundin Maddy. Sie hatte mir als Vampirin schon ein paar Jahrhunderte voraus und unterstützte mich nicht selten durch weise Ratschläge. Francisco und Miguel waren weitere wichtige Gefährten, die uns seinerzeit im Kampf gegen die Sybarites zur Seite standen. Francisco und ich hatten damals eine kurze Affäre, da ich Giles in jener Zeit verloren wähnte. Miguel wiederum hatte sich zu dieser Zeit in Maddy verliebt und sie sich ebenso in ihn. Die beiden führten inzwischen schon seit über einem Jahrhundert eine harmonische und beneidenswerte Beziehung.
Meine vergleichsweise jüngste Freundschaft bestand mit Fergus, denn wir kannten uns erst ein paar Jahrzehnte. Fergus hatte ich über Giles kennengelernt, und seitdem ich erkannt hatte, dass er trotz seiner übermütigen Scherze ein aufrichtiger und zuverlässiger Freund war, verstanden wir uns blendend. Fergus war zudem der erste Gestaltwandler, den ich kennenlernen durfte, und die Tatsache, dass er sich bei Bedarf in einen Gerfalken verwandeln konnte, machte seine Gesellschaft immer wieder zu einem Erlebnis.

Alle jene Freunde waren ebenso wie ich Vampire. Ich hatte auch menschliche Freunde gehabt und bei vielen von ihnen ihren Tod miterleben müssen, was jedes Mal eine schmerzvolle Erfahrung für mich gewesen war. Im Beisein meiner Vampir-Freunde hingegen vergaß ich meine eigene Unsterblichkeit und Alterslosigkeit schon hin und wieder, da sie ja ebenso wenig alterten wie ich.
Und genau darin bestand meine eingangs erwähnte gelegentliche Sorglosigkeit. Erst kürzlich war mir wieder bewusst geworden, dass ich mich bereits sehr lange an ein und demselben Ort aufhielt und meinem Umfeld – insbesondere meinen menschlichen Freunden – langsam auffallen musste, dass ich gar nicht alterte. Der Ort war in diesem Fall meine geliebte Heimatstadt London und ich war daher mal wieder genötigt, ihn für eine Weile zu verlassen. Da Giles auf unbestimmte Zeit nach Indonesien aufgebrochen war, fiel mir dies gleichwohl nur bedingt schwer.
Wir schrieben das Jahr 1840 und ich hatte mich entschlossen, Maddy und Miguel zu besuchen, die derzeit auf Mallorca weilten. Kurz vor meiner Abreise hatte ich erfahren, dass Francisco inzwischen ebenfalls dort lebte, und war ein wenig besorgt, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Wir hatten uns nach unserer Affäre nie ausgesprochen und damals war mir auch noch nicht klar gewesen, dass meine Gefühle für ihn nie mit denen für Giles konkurrieren konnten. Trotzdem freute ich mich darauf, Francisco wiederzutreffen und hoffte, dass wir einander immer noch als Freunde in die Augen blicken würden.

Nachdenklich

Die Sonne stand weit oben am Himmel, als mein Segelschiff in den Hafen von Palma de Mallorca einlief. Die mächtige Kathedrale La Seu dominierte den Anblick der Stadt, da sie alle umliegenden Gebäude, selbst den benachbarten Almudaina-Palast, hoch überragte.
Maddy und Miguel warteten am Hafen auf mich. Miguel lächelte freundlich und Maddy grinste so freudestrahlend und fröhlich von einem Ohr zum anderen, dass ich ebenfalls mit einem Schlag gute Laune bekam.
Kaum hatte das Schiff angelegt, liefen wir aufeinander zu und umarmten uns. »Könnt ihr hellsehen?«, fragte ich die beiden lachend. »Wie konntet ihr wissen, dass das Schiff genau jetzt eintrifft? Oder habt ihr etwa die ganze Zeit am Hafen gewartet?«
»Das war gar nicht nötig!«, erklärte Maddy verschmitzt und wies auf ein paar Türme und Dächer, die rechts hinter der Kathedrale auszumachen waren. »Du kannst unseren Stadtpalast von hier aus sehen. Naja, zumindest den kleinen Aussichtsturm davon. Javier, einer unserer Diener, hatte die Order, von dort aus regelmäßig nach deinem Schiff Ausschau zu halten. Daher war es für uns ein Leichtes, rechtzeitig hier zu sein!«

So beharrlich und heiß die Sonne auch vom Himmel schien, das Gewirr der engen Gassen, das wir hinter der Kathedrale auf dem Weg zu Maddys und Miguels Haus durchschritten, durchdrang sie nicht. Die vielen großen und imposanten Stadtpaläste standen so dicht beieinander, dass sie sich gegenseitig Schatten spendeten. Als ich nach oben blickte, erschienen mir manche der Häuser so eng gebaut, dass die Bewohner zweier gegenüberliegender Paläste sich von ihren kleinen Balkonen aus die Hände hätten reichen können.
»Diese Bauweise sorgt sicherlich für wohltuende Kühle«, fragte ich Maddy interessiert, »aber ist es dadurch auf Dauer nicht ein wenig finster? Das Tageslicht wird ja fast schon komplett ausgeschlossen.«
»Das Licht hält sich an einem anderen Ort versteckt«, antwortete Maddy mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Du wirst es gleich sehen.« Mit diesen Worten deutete sie auf die schwere Holztür eines weiteren wunderschönen Palastes, die Miguel nun aufschloss. Wir durchschritten einen breiten Gang und standen im nächsten Moment in einem riesigen, lichtdurchfluteten Innenhof, der von ionischen Marmorsäulen und barocken Rundbögen eingefasst war. In der Mitte des Innenhofes stand ein wundervoller alter Steinbrunnen, drum herum waren diverse massive Tontöpfe mit Palmen und Agaven aufgestellt und von der Galerie in der ersten Etage wucherten ringsum üppige gelbe und magentafarbene Bougainvilleas in den Hof herunter. Zwei große gegenüberliegende Freitreppen führten die Galerie hinauf und an einer Seite entdeckte ich ein breites schmiedeeisernes Gitter, das auf eine Seitengasse hinausführte und offenbar für die Einfahrt von Kutschen gedacht war.
»Fast alle großen Häuser hier haben diese Innenhöfe«, erklärte Maddy, als sie meinen begeisterten Blick bemerkte, »sie ermöglichen es den Einwohnern, im Freien zu sein und dennoch etwas Privatsphäre zu wahren.«
Doch war der Innenhof nicht das einzig Eindrucksvolle an dem Anwesen von Maddy und Miguel. Es hatte zudem sehr viele bezaubernde und von den beiden sehr behaglich eingerichtete Zimmer und bot Maddy darüber hinaus ausreichend Platz für ein riesiges und umfassend ausgestattetes Laboratorium. »Auf Mallorca wächst eine faszinierende Vielfalt besonderer Kräuter und Pflanzen«, schwärmte sie begeistert. »Ich habe bei weitem noch nicht alle erkunden und untersuchen können. Allerdings ist jetzt in der heißen Jahreszeit natürlich bereits vieles davon verblüht. Aber da du ja hoffentlich erstmal ein Weilchen bei uns bleiben wirst, wirst du noch in den Genuss kommen, die üppige Blütenpracht hier im Frühjahr zu bewundern. Die Mandelblüte zum Beispiel beginnt oft schon im Februar und ihr Anblick erwärmt einem einfach das Herz.«
Maddys Worte hatten mir einen Aspekt meines Aufenthaltes hier ins Gedächtnis gerufen, der mich noch ein wenig verunsicherte. »Ich bin noch nicht ganz sicher, wie lange ich hier bleiben werde«, entgegnete ich zögernd. »Denkst du, dass meine Anwesenheit hier jedermann recht ist?«
Maddy sah mich zunächst verblüfft an. Dann begriff sie, worauf ich anspielte. »Du meinst Francisco? Naja, du weißt, dass er sein Herz nicht gerade auf der Zunge trägt, aber als er von Miguel erfuhr, dass du uns hier besuchen wirst, schien er ernsthaft erfreut zu sein.«
Skeptisch sah ich sie an. »Er weiß sicherlich inzwischen, dass ich all die Jahre mit Giles zusammengelebt habe?«, fragte ich.
Maddy nickte. »Natürlich hat er Miguel gefragt, wie es dir in der Zwischenzeit so ergangen ist. Und Miguel hat es ihm erzählt. Daher weiß er auch, dass Giles und du im Moment gerade wieder getrennte Wege gehen. Ich hoffe, dass macht dir nichts aus?« Sie sah mich unsicher an.
»Nein, selbstverständlich nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Sonst hätte Miguel ihn ja anlügen müssen. Glaubst du, dass er sich möglicherweise noch Hoffnungen auf mich macht?«
Maddy zuckte mit den Schultern. »Eigentlich wirkte er ziemlich entspannt. Er schien weder einen Groll gegen dich zu hegen, noch schien ihn deine bevorstehende Ankunft sonderlich aufzuwühlen. Aber das würde er sich vermutlich andererseits kaum anmerken lassen.«
Ich nickte zögernd. »Ich werde es wohl einfach drauf ankommen lassen müssen, wenn wir uns wiederbegegnen. Lebt er denn hier in der Nähe?«
»Er hat ein Stadthaus hier in Palma, etwas kleiner als unseres«, antwortete Maddy, »aber die meiste Zeit verbringt er in Sóller, wo er eine wunderschöne Finca und eine riesige Orangenplantage besitzt.«
Ich sah Maddy erstaunt an. »Francisco baut Orangen an?«
Maddy schmunzelte über meine Überraschung. »Ja. Allem Anschein nach hat er wohl ziemlich turbulente Zeiten erlebt, darum war es ihm ganz recht, mal ein paar ruhigere Jahre zu verbringen. Aber das soll er dir lieber alles selbst erzählen. Wenn du einverstanden bist, machen wir morgen einen Ausflug nach Sóller und besuchen ihn dort?«
Entschlossen reckte ich mein Kinn in die Höhe. »Gerne! Man soll sich seinen Herausforderungen stellen!«
Maddy kicherte. »Gemma, du hast schon in so vielen Situationen unerschrockenen Mut bewiesen. Nur, wenn es um Gefühle geht, bist du ein Hasenfuß.«
Gespielt beleidigt streckte ich ihr die Zunge heraus. Dann brachen wir beide in Lachen aus.

 

Ende der Leseprobe

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