Undesigned Love Traust du deinen Gefühlen?

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Jasper stand neben Amber und Caden an der Rooftop Bar des Clubs, von der aus man fast die ganze Dachterrasse überblicken konnte.
»Das ist uns ganz gut gelungen, oder?«, fragte Caden zufrieden und legte seinen Arm um Amber.
»Es ist großartig geworden!«, antwortete sie begeistert. »Es kombiniert den gewohnt eleganten Stil der Clubs mit einer mediterranen Leichtigkeit, die perfekt zum Sommer passt. Ich würde mich doch sehr wundern, wenn die künftigen Partys nicht alle ausgebucht sein werden.«
»Auch heute füllt es sich bereits sehr gut«, stellte Jasper fest und beobachtete, wie immer mehr Gäste auf die Terrasse kamen. »Viele scheinen sich erst kurzfristig entschieden und ihre Tickets noch an der Abendkasse gekauft zu haben.«
Caden sah ihn schmunzelnd an. »Und du hattest dir bereits Sorgen gemacht, weil es – außer von unseren Stammgästen – im Vorfeld noch nicht so viele Ticketkäufe gab.«
»Na ja, heute Abend legt immerhin Otis auf«, wandte Jasper ein. »Da hätte ich schon ein etwas stärkeren Vorverkauf erwartet.« Otis Knox war als DJ derzeit ziemlich gehypt, seine Funk Beats kamen beim tanzfreudigen Publikum sehr gut an.
»Trotzdem müssen wir den Leuten erst beweisen, dass wir auch im Freien gute Partys veranstalten können«, erwiderte Caden. »Du kennst doch die Branche. Man muss sich immer wieder unter Beweis stellen.«
»Auch wieder wahr«, antwortete Jasper leicht abwesend. Sein Blick war auf ein Paar auf der Tanzfläche gerichtet. Die Frau hatte zu einem Bob frisierte kastanienbraune Locken, trug hohe Riemchensandalen und einen raffiniert geschnittenen seidenen Jumpsuit, dessen V-Ausschnitt eine verheißungsvolle Ahnung der darunter befindlichen Kurven lieferte. Da Jasper ohnehin keine Vorliebe für rappeldürre Frauen hatte, gefiel ihm, was er da sah. Die Frau bewegte sich sehr harmonisch zur Musik und strahlte eine entspannte Lebensfreude aus. Der Typ, mit dem sie tanzte, passte aber irgendwie nicht zu ihr. Er trug einen Kinnbart, kinnlange Dreadlocks und wirkte sehr schlaksig. Zudem umtanzte er die Frau, als ob er sie am liebsten direkt auf der Tanzfläche bespringen wollte, wie Jasper stirnrunzelnd feststellte.
»Übernimmst du das dann?«, hörte er da Caden fragen.
Jasper sah ihn verwirrt an. »Hm?«
Caden grinste. »Na, warst du gerade abgelenkt? Ich sagte, wir müssen jetzt los. Aber Colin meinte eben, der Champagner, den er hier oben hat, wäre nicht unsere übliche Sorte. Könntest du darum mal unten im Vorratsraum nachschauen?«
Jasper nickte. »Klar, kein Problem.« Caden und Amber wollten noch zu einem Auftritt von Faith Beddingfield, einer Sängerin, die Amber betreute. Und da ihr Chefbarkeeper Colin und seine Leute hier oben alle Hände voll zu tun hatten, war es besser, wenn Jasper nachschaute, welche Champagnersorten sie noch vorrätig hatten. Er holte sich den Schlüssel von Colin und ging zur Treppe, während Caden und Amber den Fahrstuhl nahmen.

»Ich brauche jetzt was zu trinken«, verkündete Kate leicht schnaufend, nachdem sie fünf Songs lang hintereinander durchgetanzt hatten.
Brax zog sie an sich. »Gute Idee!«, pflichtete er ihr mit schwerer Zunge bei.
Kate sah ihn abschätzend an. Offenbar war Brax immer noch ziemlich alkoholisiert, das Tanzen schien seinen Kopf nicht gerade klarer gemacht zu haben. Sie fand ihn in diesem Zustand nicht besonders anziehend, trotzdem ließ sie es zu, dass er sie an die Bar zog, wo sie sich zwei Cocktails bestellten.
»Der’s großartich!«, murmelte Brax, nachdem er einen großen Schluck von seinem Drink genommen hatte.
Kate schwieg. Sie überlegte, ob sie sich ein Taxi nehmen und nach Hause fahren sollte. Aber es war eine so wundervolle Nacht und sie hatte noch Lust, weiterzutanzen. Am liebsten hätte sie stattdessen Brax in ein Taxi gestopft und nach Hause geschickt, aber das würde dieser wohl kaum mit sich machen lassen.
Unterdessen palaverte Brax weiter darüber, wie grandios sein Cocktail sei, und bestellte sich sofort den zweiten.
»Komm, wir spaziern ’n bisschen in diesem Lustgarten«, erklärte er, leerte seinen Drink in einem Zug und stieg vom Barhocker. »Lustgarten!«, wiederholte er kichernd, während sie an den Blumenrabatten entlangschlenderten. Er drehte sich zu Kate und zeigte mit dem Finger auf sie. »Weißt du, ich hätte große Lust, gleich hier mit dir zu poppen.«
»Ich denke, dass der Clubbesitzer vielleicht nicht ganz so begeistert davon wäre«, antwortete sie gelassen.
»Meinst du?« Brax sah sie grübelnd an und blieb neben dem Springbrunnen stehen. Dann blickte er zum gegenüberliegenden Ende der Dachterrasse, wo sich eine kleine Aussichtsplattform mit Blick über die Dächer Kensingtons befand. »Guck dir diese Aussicht an!« Er griff nach Kates Arm, um sie zur Plattform zu ziehen. »Komm wir gehen da hin.«
Kate versteifte sich und blieb stehen. »Nein, Brax. Ich habe dir gesagt, dass ich nicht an den Rand des Daches gehen werde.«
Brax zerrte an ihrem Arm. »Ach, komm schon. Stell dich nicht so an!«

Jasper drückte Colin die Kiste mit den Champagnerflaschen in die Hände. »Es ist die Letzte von der Sorte, die wir hatten. Ich hoffe, wir kommen heute noch damit aus.«
»Super! Ich stelle sie gleich kalt«, antwortete der Chefbarkeeper erleichtert.
Jasper nickte ihm zu, schnappte sich ein Schälchen mit gesalzenen Nüssen und setzte sich damit auf einen Barhocker. Während er die Nüsse knabberte, ließ er seinen Blick über die Partygäste schweifen. Am Springbrunnen entdeckte er wieder die Frau im Jumpsuit und den schlaksigen Typen. Stirnrunzelnd beobachtete er, wie der Typ an der Frau herumzuzerren begann. Er stellte die Nüsse ab und ging auf die beiden zu.
»Kann ich irgendwie helfen? Belästigt dieser Mann Sie?«, fragte Jasper an Kate gewandt und legt seine Hand in festem Griff auf Brax’ Arm.
»Danke, es ist schon in Ordnung, ich wollte nur nicht …«, begann Kate lächelnd.
»He, wieso packst du mich an?«, motzte Brax Jasper an und versuchte ihn wegzuschubsen.
Jasper bohrte seinen Blick in Brax’ Augen und verstärkte seinen Griff. »Sie sollten die Frau jetzt besser loslassen«, sagte er warnend.
»Ey, dassis meine Frau!«, nölte Brax lauter und versuchte, seinen Arm wegzureißen. »Was geht dich das an?«
»Ich bin bestimmt nicht deine …«, rief Kate protestierend, dann geriet sie plötzlich ins Straucheln, weil Brax ihren Arm abrupt losgelassen hatte. Ihr Absatz blieb irgendwo hängen und ehe sie sich versah, landete sie mit einem lauten Platschen im Springbrunnen.
Jasper und Brax starrten sie erschrocken an, während sie sich schnaufend im Brunnen aufrappelte. »Na, wunderbar!«, stöhnte Kate und musste niesen.
»Gesund…«, versetzte Jasper automatisch, da sah er im Augenwinkel Brax’ Faust auf sich zuschießen, wich ihr blitzschnell aus, fing den Arm ab und drehte ihn Brax auf den Rücken. »Jetzt reicht es mir aber«, bemerkte er leicht genervt.
»Schon in Ordnung, Chef, ich übernehme ihn«, sagte da Sam, einer der Sicherheitsmänner des Clubs, der in dem Moment hinzugekommen war. Sam packte den aufjaulenden Brax und führte ihn von der Terrasse.
Jasper drehte sich rasch wieder zu Kate um, die gerade im Begriff war, aus dem Springbrunnen zu klettern, und half ihr hinaus.
»Ich … also, es tut mir sehr leid«, begann er, als Kate komplett durchnässt und tropfend vor ihm stand.
Kate blickte ihn erst schweigend an, dann fing es an, in ihren Mundwinkeln zu zucken, und schließlich prustete sie los.
Verblüfft starrte Jasper auf die Frau, die sich vor ihm ausschüttete vor Lachen. Ihr Haar ringelte sich in kleinen Löckchen um ihr Gesicht, aus denen noch in kleinen Rinnsalen das Wasser floss. Zunächst über ihren Hals, dann über ihr phänomenales Dekolleté und … Verdammt, der klatschnasse Jumpsuit klebte an ihrem vor Lachen bebenden Körper wie eine zweite Haut! Wie eine nahezu durchsichtige Haut. Sie hatte wundervolle Kurven und Jasper wusste nicht, was er atemberaubender fand: ihr Lachen oder ihre Rundungen.
Kate bemerkte Jaspers Blick und sah an sich herunter. »Ups!« Sie lächelte ihn an. »Sie haben nicht zufällig irgendwo trockene Kleidung für ungeschickte Partygäste in Reserve?«
Jasper erwiderte das Lächeln. »Irgendwas lässt sich bestimmt finden. Wollen Sie mich nach unten ins Büro begleiten? Wir haben da auch Handtücher, damit Sie sich abtrocknen können.«
Kate nickte und Jasper führte sie zur Treppe, da die Büroräume nur eine Etage tiefer lagen. »Übrigens ich bin Jasper Holcombe, der Eventmanager der Urbane Clubs«, stellte Jasper sich vor, während sie die Treppe hinuntergingen.
Kate betrachtete ihn kurz. Jasper war groß. Obwohl sie hohe Schuhe trug, musste sie zu ihm hochsehen. Er hatte breite Schultern, wirkte sehr athletisch und seine Augen, in deren Winkeln sich kleine Lachfältchen zeigten, leuchteten in einem hellen Blau.
»Freut mich, Jasper«, antwortete Kate schmunzelnd. »Ich bin Kate Dixon, tropfnasser Partygast.«

Die Büroräume, in die Jasper Kate führte, waren modern und elegant eingerichtet. Auf einer curryfarbenen Ledercouch lag ein Kleidersack für Anzüge und daneben stand eine Reisetasche.
»Ich muss direkt nach Party geschäftlich verreisen, darum habe ich mein Gepäck hier untergestellt«, berichtete Jasper und öffnete die Reisetasche. »Mal sehen …«
Kate beobachtete ihn dabei neugierig. Sie fragte sich, wie er in der Tasche etwas finden wollte, das ihr passen könnte. Selbst in ihren High Heels war sie einen Kopf kleiner als er und ihre Hüften … Nun ja, sie wusste, dass ihre Hüften recht üppig waren. Seine hingegen waren schmaler, wie sie prüfend feststellte, dafür sah sein Po sehr muskulös und knackig aus.
Nachdem Jasper zwei Jeans, zwei Pullover und mehrere T-Shirts beiseitegelegt hatte, zog er schließlich einen cremeweißen Baumwollanzug hervor und reichte ihn Kate. »Der könnte Ihnen vielleicht passen.«
Kate faltete den Anzug auseinander, der sehr weit geschnitten war. »Was ist das? Ein Trainingsanzug?«
»Das ist ein Keikogi, ein japanischer Kampfsportanzug«, erklärte Jasper. »Die Jacke wird mit diesem dazugehörigen Stoffgürtel zusammengehalten.«
»Und Sie werden ihn auf Ihrer Reise nicht brauchen?«, fragte Kate.
»Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt dazu kommen werde zu trainieren. Und falls doch, kann ich mir ja einen leihen. Sie können sich hier im Büro ungestört umziehen. Ich werde so lange in den Flur gehen.«
»Denken Sie, ich könnte vor Ihnen noch etwas verbergen, das Sie nicht sowieso bereits gesehen haben?«, fragte Kate grinsend.
Unwillkürlich fiel Jaspers Blick wieder auf Kates volle Brüste. Er zwang sich, ihr in die Augen zu sehen und stellte fest, dass diese einen mindestens ebenso lohnenden Anblick boten. Sie waren groß, haselnussbraun und von dichten langen Wimpern umsäumt. Ihm fiel auf, dass Kate wasserfestes Make-up zu tragen schien, denn trotz ihres Sturzes in den Brunnen, war nichts davon verlaufen.
Er lächelte sie herausfordernd an. »Also möchten Sie lieber, dass ich hierbleibe, während Sie sich umziehen?«
Kate tat, als müsse sie einen Moment überlegen, dann lachte sie. »Nein. Hinaus mit Ihnen!«
Jasper lachte ebenfalls und griff in einen Schrank, aus dem er eine Handvoll Gästehandtücher holte und sie Kate reichte. »Es sind zwar nur die kleinen, aber zum Abtrocknen müsste es reichen.« Er verschwand im Flur.
Mit ein paar Verrenkungen begann Kate, sich aus ihrem nassen Jumpsuit zu schälen. Sie fragte sich, ob sich Jasper noch in Hörweite befand, und startete einen Versuch. »Welche Art von Kampfsport betreiben Sie eigentlich?«, rief sie, während sie endlich den Jumpsuit loswurde und sich mit den Handtüchern abtrocknete.
»Jiu-Jitsu«, rief Jasper zurück. Er stand an die Wand gelehnt im Büroflur und stellte fest, dass er nicht verhindern konnte, sich auszumalen, wie Kate sich nebenan umzog. Vermutlich war es gar nicht so leicht, sich den nassen Jumpsuit vom Körper zu streifen. Am liebsten hätte er ihr angeboten, ihr dabei zu helfen …
»Ist das so was Ähnliches wie Karate?«, fragte Kate.
»Ursprünglich hat es sich aus Judo entwickelt«, antwortete Jasper. »Aber inzwischen enthält es auch Elemente aus Karate und anderen Kampfstilen.«
»Und Sie trainieren es, um mit solchen unliebsamen Partygästen wie Brax fertig zu werden?«
Jasper schnaubte leicht amüsiert aus. Brax? War das der Namen des Typen mit den Dreadlocks? Sie schien ihn ja nicht gerade zu vermissen. »Nein, in erster Linie praktiziere ich es, weil es ein hervorragendes Training für den ganzen Körper ist und es hilft, sich zu fokussieren.«
Unterdessen war Kate in Jaspers Keikogi geschlüpft. Die Hose war tatsächlich so weit, dass sie ihr bequem passte, und sie musste sie nicht einmal umkrempeln. Vermutlich reichten die Hosenbeine Jasper gerade mal bis zur Wade. Die dazugehörige Jacke hatte sie mit dem Gürtel zugebunden.
Sie griff nach ihrer ebenfalls völlig durchnässten Handtasche und kramt darin herum, während sie zu Jasper auf den Flur ging. »Sie haben nicht zufällig irgendwo hier im Büro auch einen Sack Reis stehen?«
Jasper zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Meinen Sie, weil ich eine asiatische Kampfsportart betreibe, müsste ich auch asiatisches Essen im Club vorrätig haben?«, fragte er belustigt.
Kate lachte und zog ihr Handy hervor. »Nein. Aber mein Smartphone könnte eine Ladung Reis vertragen. Es ist nämlich ebenfalls in den Brunnen gefallen. Und manchmal kann man die Elektronik noch retten, wenn man das Gerät rechtzeitig in ausreichend trockenem Reis lagert, weil dieser das Wasser heraussaugt.«
Jasper schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich fürchte, wir haben nichts im Club, womit ich Ihnen da weiterhelfen kann.«
Kate lächelte. »Ist nicht schlimm. Das Smartphone ist versichert und von allen wichtigen Daten wird zweimal am Tag automatisiert ein Back-up in meine Cloud geladen.«
Er sah sie beeindruckt an. »Zweimal am Tag? Sie sind ja gut gerüstet.«
»Ich bin Software-Entwicklerin«, erklärte Kate lächelnd. »Wenn ich selbst meine Daten nicht ausreichend schützte, könnte ich kaum meine Kunden davon überzeugen, wie wichtig Datensicherung ist.«
»Ja, das leuchtet ein«, gab Jasper zu. Ihm gefiel ihr Lächeln. Sie hatte volle, sanft geschwungene Lippen und er fragte sich, wie sie sich wohl unter seinen anfühlen mochten.
»Kann ich noch irgendetwas tun, um Sie für das Malheur zu entschädigen?«, fragte er. »Vielleicht mit Freikarten für unsere nächsten Events oder Ähnlichem?«
Kate blickte einen Moment lang gedankenverloren in Jaspers strahlend blaue Augen. »Wie wäre es mit einem Kuss?«, antwortete sie in Gedanken, sagt dann aber laut: »Nein, vielen Dank. Es war ja nicht Ihre Schuld, dass Brax sich so unmöglich aufgeführt hat. Aber ich werde mir jetzt lieber ein Taxi nach Hause nehmen. Auch wenn ich Ihnen sehr dankbar für diesen Anzug bin … wie heißt er noch mal?«
»Keikogi«, antwortete Jasper lächelnd.
»Also, ich bin sehr froh, dass Ihr Keikogi mir passt, aber für eine Sommerparty wäre er vielleicht doch nicht das passende Kleidungsstück.«
»Er steht Ihnen aber sehr gut«, erwiderte Jasper mit sonorer Stimme und meinte es auch so. Sein Kampfsportanzug verhüllte Kates frauliche Figur zwar etwas mehr als ihr Jumpsuit, aber da die Jacke nur durch den Stoffgürtel zusammengehalten wurde, konnte sie Kates Oberweite unmöglich in ihre Schranken verweisen.
Sie lachte leise. »Vielen Dank! Aber ich möchte trotzdem lieber nach Hause.«
Jasper zuckte bedauernd mit den Achseln. »Es ist Ihre Entscheidung. Sie können den Anzug ja später einfach an den Club schicken.«
Kate lächelte ihn herausfordernd an. »Nur an den Club? Das erscheint mir irgendwie ein bisschen zu unpersönlich.«
Schlagartig erhellte sich Jaspers Stimmung wieder und er sah Kate lächelnd in die Augen. »Würden Sie ihn mir lieber persönlich zurückgeben?«
Kate nickte lächelnd und Jasper zog eine Visitenkarte hervor, auf deren Rückseite er rasch etwas kritzelte. »Ich habe Ihnen meine Privatnummer aufgeschrieben. Ich werde jetzt einige Tage verreist sein, um in ein paar unserer Clubs nach dem Rechten zu sehen, die derzeit umgebaut werden. Wir wollen dort ebenfalls Partys im Freien anbieten. Aber wenn Sie möchten, können wir uns danach mal treffen, damit Sie mir den Keikogi zurückgeben können.«
Kates Lächeln vertiefte sich. »Sehr gerne.«
Jasper brachte sie noch nach unten zum Taxistand, der sich nur wenige Schritte vom Club entfernt befand.
Er blickte Kate tief in die Augen, während er ihr die Tür eines Taxis öffnete. »Also dann, kommen Sie gut heim.«
»Danke«, antwortete sie und stellte sich vor ihn. Ihre Gesichter waren jetzt nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und nur die Taxitür trennte ihre Körper. »Und machen Sie sich keine Sorgen«, versprach sie mit einem spitzbübischen Lächeln. »Ich werde gut auf Ihren Keikogi achtgeben.« Schließlich stieg sie ein, schloss die Tür und das Taxi fuhr ab.
Jasper lächelte amüsiert und ging wieder in den Club.

Im Taxi nannte Kate dem Fahrer ihre Adresse und lehnte sich dann im Sitz zurück. Sie warf einen abschätzigen Blick auf das immer noch ziemlich nasse Bündel mit ihrem Jumpsuit. Er war recht teuer gewesen und hatte durch ihr unfreiwilliges Bad im Brunnen ohne Frage ein wenig gelitten. Aber das kümmerte sie nicht weiter.
Sie kuschelte sich in Jaspers Keikogi und dachte daran, wie er sie angesehen hatte. Der Blick aus seinen leuchtend blauen Augen hatte sie fast schon gestreichelt.
Unwillkürlich seufzte Kate wohlig auf. Sie freute sich bereits darauf, Jasper wiederzutreffen.

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Suspicious Love Kann ich dir trauen?

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»Wir wollen heute im Urbane Club Greenwich den Soundcheck machen«, erzählte Danny kauend. »Kommst du mit?«
»Wozu?«, fragte Amber. »Für diesen Technikkram hast du mich doch nie gebraucht.«
Sie saßen gemeinsam in Ambers geräumiger Küche beim Frühstück. Danny hatte sich mal wieder selbst eingeladen, da in seinem Kühlschrank gähnende Leere herrschte. Irgendwann hatte Amber ihm mal im Scherz vorgeworfen, dass er absichtlich so oft vergaß, einzukaufen, um sich bei ihr durchzuschnorren. Aber da sie sich so gut verstanden und direkt nebeneinander wohnten, gab es für keinen von ihnen einen Grund, alleine zu frühstücken, sofern keiner von beiden etwas anderes vorhatte.
»Na ja, der DJ, der zwischen meinen Auftritten Musik auflegt, wird auch da sein und vielleicht wird er versuchen, mehr Zeit für sich herauszuschinden«, befürchtete Danny.
»Aber deine Auftrittszeit ist doch vertraglich festgelegt«, erklärte Amber. »Du hast zweimal 40 Minuten und dazwischen eine halbe Stunde Pause. Plus der Option auf Zugaben.«
»Jaaa, aber wenn du als meine Managerin dabei wärst, könntest du diesem DJ meine vertraglichen Rechte verklickern«, quengelte Danny.
»Das könnte ich tun, Danny, aber ich halte deine Befürchtungen für völlig unbegründet.«
»Ach, bitte, Amber! Wir könnten danach gemeinsam shoppen gehen. Im Greenwich Market gibt es mehrere Boutiquen mit Vintage Kleidung, die du so magst. Außerdem wird Caden nicht dort sein.«
Amber sah ihn fragend an. »Woher weißt du das? Aber das ist ja auch nicht wichtig«, fügte sie hastig hinzu.
Danny grinste. »Jasper hat mir erzählt, dass nur er, der DJ und der Soundtechniker dort sein werden, weil Caden keine Zeit hat.«
Amber seufzte. »Also schön, ich komme mit.«
»Prima!«, freute sich Danny.

Der DJ, den Caden und Jasper für die Eröffnung des Urbane Club Greenwich engagiert hatten, war eine Neuentdeckung namens Julian Daw und es stellte sich schnell heraus, dass Dannys Bedenken unnötig waren, da Julian offenbar ein Fan von Dannys neuer Musik war.
Gleich bei der Begrüßung erzählte er ihm, wie sehr ihm »Shammed Love« gefiel. »Viel besser als alles, das du als DanYo herausgebracht hast.«
»Also mochtest du meine Musik bisher nicht?«, fragte Danny und überlegte, ob er sich gekränkt fühlen sollte. Julian war anscheinend etwa in seinem und Ambers Alter, wirkte aber sehr selbstbewusst.
»Doch, aber es wurde Zeit, dass du erwachsener wurdest. Der neue Stil passt viel besser zu dir.«
Amber musste sich ein Grinsen verkneifen. Obwohl Julian Danny eigentlich Komplimente machte, spürte sie, dass Danny etwas verärgert war, weil der andere so bestimmt über seine Musik urteilte.
»Weißt du, ich war als DanYo jetzt einige Jahre sehr erfolgreich«, entgegnete Danny prompt etwas schnippisch.
»Sicher. Aber DanYo trat auf der Stelle. Danny O’Hara hingegen kann sich künstlerisch weiterentwickeln.«
Danny holte Luft, um etwas zu erwidern, aber Amber kam ihm lachend zuvor. »Du erinnerst dich aber noch, dass du eigentlich genau Julians Meinung bist, nicht wahr, Danny?«
Er sah kurz zu ihr herüber, dann sah er Julian an und nickte grinsend. Julian erwiderte das Grinsen und zwinkerte ihm zu.
Jasper hatte indes den kleinen Disput zwischen Danny und Julian genauso amüsiert beobachtet wie Amber und wandte sich nun ihr zu. »Wollen wir uns oben in die VIP-Lounge setzen? Dann können die Künstler in Ruhe ihre Arbeit machen.«
Während Danny, Julian und der Soundtechniker sich daran machten, die Bühnentechnik zu überprüfen und einzustellen, nahmen Amber und Jasper auf den gemütlichen Ledersesseln auf der Empore Platz.
»Wollte Danny, dass Sie als Verstärkung mitkommen?«, fragte Jasper.
Amber zögerte mit einer Antwort, weil sie Dannys vorherige Sorge, der DJ könne versuchen, seine Auftrittszeit zu beschränken, nicht offenbaren wollte. Womöglich könnte Jasper dann annehmen, Danny würde das Klischee des labilen Künstlers erfüllen und ihn für unprofessionell halten. Denn das war Danny überhaupt nicht. Er hatte noch nie einen Auftritt versäumt oder war auch nur eine Minute zu spät gekommen. Er lieferte stets eine tolle Show und erfüllte die Erwartungen seines Publikums und der Auftraggeber – nicht selten übertraf er sie sogar.
Jasper hatte Ambers Zögern bemerkt. »Es wäre nur verständlich, wenn Danny ein bisschen verunsichert ist«, erklärte er milde. »Er versucht in diesen Tagen, einen großen Imagewechsel zu vollziehen. Gerade für einen so erfolgreichen Künstler wie ihn ist so etwas immer auch mit einem gewissen Risiko verbunden.«
Amber war überrascht, dass Jasper so verständnisvoll war, und lächelte ihn dankbar an. »Mit der bestimmten Ansage, dass es Zeit wäre, erwachsener zu werden, hat dieser Julian ihn aber auch eiskalt erwischt«, gestand sie schmunzelnd.
»Noch dazu hat er es in einem fast gouvernantenhaften Ton gesagt«, bestätigte Jasper lachend.
»Dabei sieht er so gar nicht wie eine Gouvernante aus«, stellte Amber fest und warf einen Blick auf die Bühne, wo Julian gerade mit dem Soundtechniker sprach. Er hatte eine schlanke, aber sportliche Figur, einen braunen Haarschopf, von dem ihm eine Locke in die Stirn fiel, und ein attraktives Gesicht.
Jasper lehnte sich ebenfalls vor, folgte erst ihrem Blick und sah Amber dann amüsiert an. »Ach, ist er Ihr Typ?«
»Nein, eigentlich nicht. Eher …« … Dannys Typ, ergänzte sie dann in Gedanken. Wenn sie Julian mit Dannys früheren Partnern verglich, so hatte dieser tatsächlich etwas an sich, das ihn in Dannys Beuteschema passen ließ. Aber das behielt sie für sich.
»So? Wie sieht denn dann Ihr Typ aus?«, fragte Jasper und betrachtete sie grinsend.
Amber lehnte sich in den Sessel zurück und tat, als müsse sie scharf nachdenken. Dann beugte sie sich zu ihm hinüber, fixierte seinen Blick und klimperte übertrieben mit den Augen. »Ach, ich mag mich da gar nicht festlegen. Warum sollte man sich beschränken, wenn die Auswahl doch so groß ist?«
Jasper lachte auf. »Geschickt aus der Affäre gezogen.«

Caden schloss die Bürotür im Urbane Club Greenwich hinter sich. Sein Besprechungstermin in der City war schneller erledigt gewesen als erwartet und darum hatte er hier noch mal nach dem Rechten sehen wollen. Ein paar Töne drangen von unten aus dem Club zu ihm herauf und er sah auf seine Uhr. Derzeit lief dort wohl noch der Soundcheck. Er wollte mal schauen, wie weit die Jungs inzwischen waren.
Er betrat den Gang, der zur VIP-Lounge führte, blieb dann aber nach wenigen Schritten abrupt stehen. Vorne an der Empore sah er Jasper mit Amber sitzen. Die beiden hatten ihre Köpfe sehr eng zusammengesteckt und lachten fröhlich.
Er hörte, wie die beiden darüber sprachen, welchen Männertyp Amber mochte, und ganz offensichtlich flirteten sie miteinander.
Caden runzelte die Stirn. Die Frauen, die er bevorzugte, waren groß und hatten Modelmaße, aber Jasper gefiel offenbar jemand wie Amber. Sie wirkte auch sehr feminin, war aber eher zierlich. Ihre rotblonde Lockenmähne umrahmte ihr zartes Gesicht und verlieh ihr einen unschuldigen Charme. Cadens Blick verfinsterte sich. Amber erinnerte ihn entfernt an Celia und er wusste genau, dass gerade der zierliche Typ oft alles andere als unschuldig war.
Er zwang sich zu einem Lächeln und trat hinaus in die Lounge. Amber schien sich einen kurzen Moment zu versteifen, als sie ihn erblickte, dann setzte sie ein höfliches Lächeln auf und begrüßte ihn. Aus einem unerfindlichen Grund ärgerte ihn das ein wenig, er konnte aber nicht sagen, warum.
»Was machst du denn hier?«, fragte Jasper fröhlich.
»Der andere Termin konnte sehr schnell abgewickelt werden«, antwortete Caden. »Warum? Störe ich euch?«
»Ja, das tust du«, behauptete Jasper breit grinsend und legte Amber scherzhaft den Arm um die Schultern.
Ihr schien jene Geste unangenehm zu sein und sie drückte den Rücken unwillkürlich durch. Schlagartig besserte sich Cadens Stimmung etwas.
Auch Jasper bemerkte Ambers Unbehagen und zog seinen Arm wieder zurück, woraufhin sie ihn dankbar anlächelte.
Caden kniff kurz die Augen zusammen. Er fand ihre Reaktionen irgendwie widersprüchlich. »Und? Vertragen sich unsere beiden Künstler?«, fragte er, während er sich neben Jasper setzte.
Amber setzte sich etwas aufrechter hin und sah ihn leicht besorgt an. »Warum sollten sie nicht?«
»Nun, es ist doch nichts Ungewöhnliches, wenn sich zwei Menschen, die sich eben erst kennengelernt haben, zunächst ein wenig beschnuppern müssen«, antwortete Caden schulterzuckend. »Wir müssen einander ja auch erst noch beschnuppern«, fügte er mit spöttischem Blick hinzu.
Amber schien gerade etwas erwidern zu wollen, da stießen Danny und Julian zu ihnen in die Lounge und sie strahlte sie an. Sie wirkte fast erleichtert über das Auftauchen der beiden, was Caden ein wenig missfiel.
»Wir sind dann soweit fertig«, verkündete Danny zufrieden. »Zumindest rein tontechnisch ist alles für die Eröffnung gerüstet. Wollen wir jetzt shoppen gehen?«, fragte er an Amber gewandt.
Sie stand sofort auf. »Sehr gerne.«
»Das sieht ja aus, als könnten Sie gar nicht schnell genug von uns wegkommen«, beklagte sich Jasper lachend. »Das kränkt uns jetzt aber ein wenig, nicht wahr, Caden?«
Caden ging auf die Frage nicht ein und betrachtete Amber nur forschend.
»Entschuldigung, diesen Eindruck wollte ich nicht erwecken«, beschwichtigte Amber Jasper mit freundlichem Lächeln.
»Mit einer Einladung zum Shoppen können Sie halt jede Frau locken«, erklärte Danny grinsend. Dann verabschiedeten er und Amber sich von den anderen und verließen den Club.
»Warum guckst du so grimmig?«, fragte Jasper, nachdem auch Julian sich verabschiedet hatte.
»Ach, mir geht so Verschiedenes durch den Kopf«, antwortete Caden ausweichend. Er wollte es gegenüber Jasper nicht zur Sprache bringen, dass ihn Amber geringfügig an Celia erinnerte. Jasper hatte schon genug durchgemacht.

Endlich kam der Eröffnungsabend des Urbane Club Greenwich. Wie Amber und Danny von Jasper erfahren hatten, waren die Tickets bereits am ersten Verkaufstag restlos ausverkauft gewesen, und Danny war entsprechend nervös. Er war zwar schon oft in ausverkauften Hallen aufgetreten, aber dies würde nun doch ein anderes Publikum sein und er hoffte sehr, dessen Erwartungen zu erfüllen.
Amber hatte Danny zu beruhigen versucht, so gut es ging, doch auch ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Auch wenn die YouTube-Videos mit Dannys neuen Songs viele Likes erhalten hatten, so war ein Auftritt vor einem Live-Publikum doch etwas völlig anderes und sie wünschte Danny von Herzen, dass sich dieser Abend als der von ihm ersehnte Erfolg erweisen würde. Hand in Hand standen beide neben der Bühne, auf der Caden in diesem Moment das Publikum in seinem neuen Club begrüßte.
Cadens kurze Ansprache wirkte sehr souverän und man merkte ihm an, dass er Routine in diesen Dingen besaß. Er trug ein perfekt sitzendes Sakko und dazu ein Hemd, dessen oberen zwei Knöpfe geöffnet waren und darunter eine muskulöse Brust erahnen ließen.
Einen kurzen Moment blieb Ambers Blick abgelenkt an dem Grübchen in Cadens Kinn hängen und sie fragte sich, wie er es wohl schaffte, sich dort zu rasieren. Dann drangen Cadens Worte an ihr Ohr. »… aber nun möchte ich die Bühne endlich einem außergewöhnlichen Künstler überlassen, dessen Songs Sie sicherlich ebenso begeistern werden wie mich: Danny O’Hara.«
Erfreut stellte Amber fest, dass Caden mit keinem Wort Dannys bisherigen Künstlernamen DanYo, geschweige denn dessen bisherige Erfolge oder den jetzigen Imagewechsel erwähnt hatte. Er hatte ihn einfach als Danny O’Hara vorgestellt und damit intuitiv Dannys Wunsch eines Neustarts entsprochen. Vielleicht war es nur ein Zufall, aber es ließ Caden einen kurzen Augenblick einfühlsamer erscheinen, als Amber erwartet hätte.
Sie drückte noch einmal Dannys Hand, bevor dieser mit seiner Gitarre die Bühne betrat und sich stattdessen nun Caden neben sie stellte und sich zu ihr herüberbeugte. »Sollen wir nach oben in die Lounge gehen? Von dort aus hat man nicht nur einen guten Blick auf die Bühne, man kann zudem einen Großteil der Halle überblicken, sodass Sie die Reaktionen des Publikums beobachten können.«
Amber sah ihn an und zögerte kurz, dann nickte sie. Erneut hatte Caden ein gutes Gespür bewiesen, indem er erkannt hatte, dass es ihr wichtig war, herauszufinden, wie Dannys Auftritt bei den Zuschauern ankam. Als sie die Lounge betraten, sah sich Caden dann allerdings genötigt, mehrere Hände zu schütteln und verschiedene Gäste zu begrüßen, die er persönlich kannte. Wie nicht anders zu erwarten, waren auch einige Frauen darunter, die ihn umarmten oder ihm einen Kuss auf die Wange drückten, und selbstredend waren sie alle überaus attraktiv. Amber kam sich zwischen ihnen wie ein Mauerblümchen vor, doch Caden bewies Manieren und stellte Amber allen vor. Dann musste er ihre Ungeduld, Dannys Auftritt endlich verfolgen zu können, bemerkt haben, denn er schlug ihr schließlich vor, schon zu den Plätzen zu gehen, die für sie reserviert waren.
In der Sitzgruppe am Rande der Empore wurde sie dann von Jasper begrüßt. »Caden wurde noch aufgehalten«, stellte sie ironisch fest, während sie sich setzte.
Jasper warf einen Blick über Ambers Schulter. »Ja, ich sehe schon. Er ist mal wieder von seinem Ha…, ähm, von seinen Freunden umringt.«
Sie fragte sich kurz, was Jasper eigentlich hatte sagen wollen, aber dann lehnte sie sich mit den Armen auf das Geländer der Empore, um wenigstens noch das Ende von Dannys erstem Song mitzubekommen. Für den Auftakt hatte Danny sich für den spritzigen Song »Sorry for Being the Right One« entschieden und der freche Text sowie der lebendige Rhythmus schienen genau den Nerv des Publikums zu treffen. Die meisten Gäste hatten direkt zu tanzen angefangen und als Danny geendet hatte, gab es lauten Applaus. Mit den nächsten beiden Stücken trug Danny diese Stimmung direkt weiter, bevor er dann zu der langsameren Ballade »Shammed Love« wechselte.
Auch diese kam bei den Gästen sehr gut an, wie Amber glücklich feststellte. Mit einem kurzen Seitenblick hatte sie bemerkt, dass viele der Zuschauer hier oben in der VIP-Lounge es ihr gleichgetan und sich auf das Geländer gelehnt hatten, um Dannys Auftritt aufmerksamer verfolgen zu können, während andere aufgestanden waren, um besser auf die Bühne sehen zu können. Außerdem hielt der Applaus des Publikums jeweils nach jedem Song ein wenig länger an, sodass jetzt schon absehbar war, dass Danny den ursprünglichen Zeitplan von 40 Minuten pro Auftritt nicht würde einhalten können.

Nachdem Caden alle Bekannten begrüßt hatte, konnte er sich endlich zu Amber und Jasper setzen. Amber schien ihn jedoch gar nicht zu bemerken, denn sie studierte mit konzentriertem Blick Dannys Auftritt und das Publikum. Sie war nicht so extravagant oder aufreizend gekleidet wie seine weiblichen Bekanntschaften, dafür betonte der eng anliegende, seidene Cheongsam, den sie trug, sehr vorteilhaft ihre schlanke Figur und gab zudem in ihrer derzeitigen Position durch seinen seitlichen Schlitz einen großzügigen Blick auf ihre wohlgeformten Beine frei. Amber schien das jedoch gar nicht zu bemerken, sie war voll und ganz in Dannys Auftritt und die Reaktionen des Publikums vertieft. Ihre rotblonden Haare hatte sie – passend zu ihrem Kleid – zu einem eleganten Chignon im Nacken gesteckt, aus dem sich ein paar Locken gelöst hatten, die in dem gedämpften Licht fast golden schimmerten.
Cadens Blick ruhte auf Ambers zartem Profil, als er plötzlich Jaspers belustigte Stimme in sein Ohr raunen hörte. »Überlegst du, ob sie in deinen Harem passt?«
Er gab ein leises Schnauben von sich. »Sie ist überhaupt nicht mein Typ!«, entgegnete er leise.
Dann bemerkte Amber ihn und strahlte sie beide glücklich an. »Es läuft großartig! Ich freue mich so für Danny!«
Ihr Lächeln versetzte Caden einen kleinen Stich und er runzelte die Stirn, da er nicht begriff, was das zu bedeuten hatte.
»Caden, Darling, du hast mich ja noch gar nicht begrüßt!« Zwei schlanke Arme schlangen sich von hinten um seinen Hals und er sah, wie sich Ambers linke Augenbraue steil nach oben zog.
Er wandte den Kopf leicht zur Seite und begegnete Skylers gespielt vorwurfsvollem Blick. »Das mag daran liegen, Skyler, dass du dich verspätet hast«, entgegnete er spöttisch. »Alle anderen habe ich sehr wohl schon begrüßt. Darf ich dir übrigens Amber Deering vorstellen? Sie ist die Managerin unseres heutigen Stargasts Danny O’Hara. Jasper kennst du ja schon. Amber, dies ist Skyler Mitchell, eine alte Bekannte von mir.«
Amber und Skyler gaben sich höflich lächelnd die Hand, dann tätschelte Skyler Caden tadelnd die Wange. »›Alte‹ Bekannte, also wirklich, Caden, manchmal bist du so rüde! Wir sind natürlich sehr gute Freunde«, erklärte sie an Amber gewandt.
»Ich verstehe«, antwortete Amber mit gleichgültiger Höflichkeit. Dann wandte sie sich kurz lauschend in Richtung Bühne, bevor sie sich wieder zu Caden und Skyler umdrehte. »Das ist Dannys letzter Song vor der Pause«, stellte sie fröhlich fest. »Ich werde zu ihm runter gehen und ihn von der Bühne abholen.«
»Herrje, bist du sicher, dass die Kleine die Managerin eures Stars ist?«, fragte Skyler spitz, während sie Amber hinterherblickte. »Sie kommt mir eher vor wie ein Fan.«
»Sie ist halt mit Leidenschaft bei der Sache«, erwiderte Caden nachdenklich, obwohl er selbst anfangs von Amber denselben Eindruck gehabt hatte. »Eigentlich ist es doch ganz beneidenswert, wenn jemand seine Leidenschaft noch nicht verloren hat.«
»Findest du?«, fragte Skyler abfällig. »Mir erscheint es allerdings ziemlich unprofessionell.«
Caden hörte Skyler nicht zu, da er beobachtete, wie sich Amber geschickt ihren Weg durch die tanzenden Gäste zu Danny an die Bühne bahnte. Nachdem Danny geendet und angekündigt hatte, dass nun Julian in der Pause für die musikalische Unterhaltung sorgen würde, ging er zu Amber und die beiden fielen sich in die Arme. Er konnte ihre Gesichter nicht genau erkennen, da sie dafür zu weit weg waren, doch seiner Meinung nach hielten sie einander ein wenig zu lange in den Armen.
Dann sah er, wie die beiden sich auf den Weg zur VIP-Lounge machten, und wandte sich wieder Skyler zu. »Verzeihung, Honey, was hattest du gesagt?«
Skyler lächelte ihn schnippisch an und stand auf. »Weißt du, ich mag dich gerade nicht besonders. Melde dich doch bei mir, wenn du wieder weniger langweilig bist.«
»Ok, Honey, das werde ich tun«, verabschiedete er sie freundlich.
Skyler nickte Amber und Danny kurz zu, die soeben zu ihnen gestoßen waren, und schritt dann davon.
»Und wie fanden Sie es?«, fragte Danny glücklich, während er und Amber sich zu Caden und Jasper setzten. »Es läuft anscheinend recht gut.«
»Recht gut?«, echote Caden. »Danny, Sie waren großartig! Unsere Eröffnungen liefen bislang immer ganz gut, aber heute herrscht eine ganz andere Atmosphäre im Club. Die Gäste gehen bei jedem Ihrer Songs richtig mit.« Cadens Blick ruhte einen kurzen Moment auf Amber, die ebenso glücklich strahlte wie Danny, dann fasste er einen spontanen Entschluss.
»Danny, Amber, ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen: Dieser Abend hier verspricht ein fulminanter Erfolg zu werden und ich denke, wir sollten das so bald wie möglich wiederholen.«
»Wiederholen?«, fragte Amber. »Aber planen Sie denn so bald schon die nächste Club-Eröffnung? Und bestand Ihr Konzept sonst nicht eigentlich darin, bei jeder Eröffnung einen anderen Stargast zu engagieren?«
»Ja, das ist richtig«, antwortete Caden. »Und, nein, ein weiterer Club ist derzeit noch nicht geplant. Aber ich meinte auch etwas anderes. Eine Tour Dannys durch alle meine Clubs mit einem regelmäßigen Event. Vielleicht vierzehntägig?« Er bemerkte im Augenwinkel, wie Jasper ihn verblüfft anstarrte, und ignorierte das, während er fortfuhr. »Wir könnten es ›Intimate Club Night‹ nennen. Ein exklusives Event, zu dem nur eine bestimmte Anzahl an Gästen Zutritt hat, die einen erhöhten Preis dafür bezahlen, dass sie Danny in entspannter Lounge-Atmosphäre näher sind, als das sonst in einem großen Konzert möglich wäre.«
»Einen erhöhten Preis?«, hakte Amber nach. »Wie hoch?«
Caden lächelte. »Höher als der Ticketpreis für eine normale Konzertkarte und hoch genug, dass unsere Unkosten gedeckt sind und wir alle daran verdienen können. Aber niedrig genug, dass auch jemand mit einem mittleren Einkommen sich ein Ticket leisten kann. Der vierzehntägige Turnus würde es Danny zudem ermöglichen, dazwischen auch weiterhin Konzerte mit gestaffelten Ticketpreisen zu geben.«
»Das klingt toll!«, sagte Danny begeistert. »Amber, was hältst du davon?« Er sah sie gespannt an.
Amber betrachtete Danny einen kurzen Moment lang, dann blickte sie Caden an, dann Jasper. Ihre Mundwinkel zuckten. »Jasper, Sie sehen aus, als hätte Sie Caden mit dieser Idee ebenso überrumpelt wie uns«, stellte sie schmunzelnd fest.
»Keineswegs«, behauptete Jasper breit grinsend. »Das wäre ja höchst unprofessionell, da ich schließlich sein Eventmanager bin. Wir haben alles genau abgesprochen und ich finde die Idee hervorragend.«
»Amber, ich muss wieder nach unten, da es gleich Zeit für meinen zweiten Auftritt ist«, erklärte Danny. »Aber ich möchte das sehr gerne machen.«
»Gut«, Amber lächelte ihn an. »Sollen wir uns dann übermorgen treffen und alle Einzelheiten besprechen?«, fragte sie an Caden und Jasper gewandt.
»Sehr gerne«, antwortete Caden zufrieden.
Daraufhin begleitete Amber Danny wieder nach unten zur Bühne.
»Die ›Intimate Club Night‹«, wiederholte Jasper nachdenklich den Namen von Cadens Eventidee. »Ein interessantes Konzept.«
Caden nickte gedankenverloren, während er zur Bühne hinunterschaute. »Ja, das denke ich auch. Unsere Clubs werden sicher davon profitieren.«
»Unsere Clubs. Ja, natürlich. Bist du sicher, dass du es nur für die Clubs tust?«
Caden sah Jasper stirnrunzelnd an. »Ja, selbstverständlich. Wofür denn sonst?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Jasper mit leisem Lächeln. »Es war nur so eine Frage.«

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Zeitgenossen – Gemmas Verwandlung Band I

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Leseprobe

Prolog

Eigentlich war ich nicht zeitgemäß, ein wandelnder Anachronismus sozusagen. Doch da ich inzwischen über 400 Jahre alt war, hatte ich schon viele Zeiten erlebt, in die ich im eigentlichen Sinne nicht passte. Dabei sah ich für mein hohes Alter noch recht frisch aus, wie eine attraktive 25jährige. Das mag daran liegen, dass ich gerade mal Mitte 20 war, als ich erschaffen wurde.
Über das, was ich war (oder besser: was wir waren, denn inzwischen gab es etliche von uns), wurden irgendwann Bücher herausgebracht, später sogar Filme und Fernsehserien. Die frühen Werke schilderten uns als triebhafte und blutrünstige Bestien, die späteren Werke waren differenzierter, beschrieben uns als fühlende Wesen und räumten mit Mythen wie der Lichtempfindlichkeit und dem Schlafen in Särgen auf.
Ein Funken Wahrheit war in allen diesen Texten zu finden. Ein paar von uns waren blutrünstige Bestien, viele aber auch fühlende und mitfühlende Wesen. Einige waren beides. Die Widersprüchlichkeit unserer menschlichen Natur blieb uns auch nach unserer Verwandlung erhalten.

Unfreiwillig

Erschaffen wurde ich im Jahre 1599 in meiner damaligen Heimatstadt London. Elisabeth I. regierte das Land und Shakespeare feierte mit seinen Stücken Erfolge am Globe Theatre. Ich bekam von all dem aber damals noch nicht viel mit, da ich sehr zurückgezogen aufgewachsen war. Meine Mutter war eine Dienstmagd, die sich von dem Earl of Rutland schwängern ließ. Natürlich weigerte sich der Earl, mich offiziell als seine Tochter anzuerkennen, brachte mich aber bei einem kinderlosen älteren Ehepaar unter, das mir eine für die damalige Zeit umfassende Ausbildung zukommen ließ.
Mein Ziehvater hatte es als Apotheker zu bescheidenem Reichtum gebracht, da man seine Kräutermischungen und Heilpulver, die auch meine Ziehmutter mit großem Geschick herstellte, bei Hofe gerne orderte. Beide gaben mit Freude ihr naturkundliches Wissen an mich weiter, zumal ich mich als sehr wissbegieriges und lerneifriges Kind herausstellte. Meinen leiblichen Eltern bin ich indes nie begegnet. So wuchs ich ohne große Sorgen bei meinen Zieheltern auf und ging ihnen bei ihrem Tagesgeschäft zur Hand.
Eines Abends bat mich meine Ziehmutter, eine wichtige Lieferung Kalmus und Echten Schwarzkümmel vom Hafen abzuholen, die dort mit einem Schiff aus Portugiesisch-Indien angekommen war. Sie war nicht mehr sehr gut zu Fuß und mein Ziehvater war am Vormittag zu Hofe bestellt worden und noch nicht wieder zurückgekehrt.
Ich hatte den Apotheker schon oft zum Hafen begleitet und kannte den Weg daher im Schlaf. Mühelos bekam ich die bestellte Ware ausgehändigt. Es begann bereits zu dämmern und so machte ich mich schleunigst auf den Heimweg. Auch wenn ich den Hafen kannte, so war mir die Gegend dennoch nicht sonderlich geheuer, da sich gemeinhin allerlei Gesindel hier herumtrieb.
Prompt stellte sich mir ein zerlumpter Bettler in den Weg. »Na, meine Schöne!«, grölte er mir seine Whiskyfahne ins Gesicht und entblößte dabei sein immerhin noch aus drei Zähnen bestehendes Gebiss. Ich wich angewidert einen Schritt zurück. Plötzlich wurde der Bettler nach hinten gerissen und flog in hohem Bogen in den Dreck. Ich riss erstaunt die Augen auf und sah mich einem Edelmann gegenüber, dessen erlesene Kleidung und federgeschmücktes Barett auf einen hohen Stand schließen ließen. Hinter ihm standen fünf weitere nicht minder vornehm gekleidete Peers.
Der Edelmann beugte sich zu mir herunter und musterte mich anzüglich. Die Farbe seiner lodernden Augen ließ mich zurückschrecken. Vielleicht lag es ja an der untergehenden Sonne, aber sie waren irgendwie … rot.
»Tatsächlich eine unerwartete Schönheit an diesem unwirtlichen Ort«, murmelte er mit heiserer Stimme, während er mich weiterhin musterte.
Ich räusperte mich. »Ich bin Euch sehr dankbar für Eure Hilfe, Mylord, aber wenn Ihr mich nun vorbeilassen würdet …«
»Nicht doch!«, unterbrach er mich zischend und drängte mich gegen eine Wand. Auch seine fünf Begleiter waren plötzlich kaum mehr als zwei Zoll entfernt, dabei hatte ich gar nicht wahrgenommen, dass sie sich bewegt hatten.
Mir entglitt das Paket mit den wertvollen Kräutern und fiel in eine Dreckpfütze. Der rotäugige Peer griff mir in den Schritt. Ich schrie entrüstet auf und spuckte ihm ins Gesicht. Plötzlich verwandelte sich sein Gesicht in eine hasserfüllte Fratze. Er schlug mir ins Gesicht und der scharfe Schmerz wurde nur noch von dem Entsetzen überlagert, das mich ergriff, als er nach meinem Arm griff und seine Zähne hineinschlug. Ich verlor das Bewusstsein.

Schmerzen. Brennende Schmerzen. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen, obwohl er doch ganz offensichtlich in einer kühlen Schlammpfütze lag. Ein schemenhaftes Gesicht tauchte über mir auf. War es Gut oder Böse? Ich wusste es nicht. Es war mir auch egal. Solange nur jemand die Flammen löschte. Hände glitten über meinen Körper, schienen ihn nach Verletzungen abzutasten. Überall, wo sie mich berührten, wurde das Brennen heftiger. Ein unbändiger Schrei kroch meine Kehle hinauf. Ich wurde erneut ohnmächtig.

Ich schlug die Augen auf und sah einen dunkelblauen Baldachin, der mir gänzlich unbekannt war. Mir war heiß. Und meine Kehle brannte. Offenbar war ich krank gewesen und man hatte mich ins Bett gebracht. Aber in welches Bett? Ich lehnte mich hoch und sah mich um. Dies war definitiv nicht mein Zuhause. Meine Eltern hatten zwar auch teure Möbel, doch war ihr Haus längst nicht so raffiniert eingerichtet, wie dieses Zimmer.
»Und? Gefällt Euch, was Ihr seht?«, vernahm ich plötzlich eine wohlklingende Stimme mit belustigtem Unterton. Ich riss den Kopf herum und erblickte einen hochgewachsenen Peer, der mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen in einem Lehnstuhl saß und mich mit amüsiertem Blick ansah. Er trug sein langes dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und sein Gesicht hatte eine fast raubtierhafte Attraktivität.
»Wer seid Ihr? Und wo bin ich?«, entfuhr es mir fast ein wenig unfreundlich. Er stand auf und machte eine spöttische Verbeugung.
»Gestatten: Giles Montgomery, vierter Viscount Arlington. Und dies ist mein bescheidenes Heim.« Er wies auf die Räumlichkeiten. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Ich starrte ihn an. Seine amüsiert glitzernden Augen hatten einen faszinierenden Farbton. Einerseits erschienen sie nachtblau, andererseits schimmerten sie wie Opale. »Gemma«, antwortete ich langsam, »Gemma Winwood.« Unwillkürlich griff ich mir an den Hals. Meine Kehle brannte immer noch fürchterlich.
Das Gesicht des Viscounts verdüsterte sich plötzlich. »Hast du Durst?«, fragte er. Ich nickte matt, verwirrt von dem abrupten Stimmungswechsel. »Ich gebe dir etwas.« Er setzte sich auf den Bettrand und reichte mir einen schweren Silberbecher. Ich trank gierig daraus, wobei ich immer noch auf sein unergründliches Gesicht starrte. Die Flüssigkeit löschte auf köstliche Weise meinen brennenden Durst. Nachdem das stärkste Brennen gemildert war, setzte ich den Becher kurz ab, um neugierig nachzuschauen, welches Getränk mir so wohltuend Linderung verschafft hatte.
Ich erstarrte vor Entsetzen. Es war Blut. Ich trank Blut!
Mit einem heiseren Aufschrei schleuderte ich den Becher von mir, dessen tiefroter Inhalt sich über den schweren Teppich ergoss, und starrte den Viscount hasserfüllt an. »Was soll das?«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. »Haltet Ihr das für witzig?«
Er sah mich mitfühlend an. »Es ist das, was du jetzt brauchst«, antwortete er ruhig.
Was sollte das nun wieder? Wie konnte ich Blut brauchen? Ich sah ihn misstrauisch an. Er seufzte und nahm behutsam meinen Arm hoch. Ich blickte darauf und sah die Vielzahl punktförmiger Doppelnarben. »Sie werden mit der Zeit blasser«, sagte Arlington leise. Ich starrte immer noch auf die Narben. Mir fielen die Schmerzen wieder ein. Das höllische Brennen. Der Peer mit den roten Augen und seine Begleiter.
Ich sah Arlington an. Sein gemeißeltes Gesicht. Der unergründliche Blick aus den nach wie vor schimmernden Augen. Keuchend stürzte ich aus dem Bett und fand mich vor der verschlossenen Tür wieder, nicht begreifend, wie ich in dem riesigen Raum so schnell hierhin gelangen konnte.
»Gemma!«, hörte ich die warme Stimme Arlingtons bittend hinter mir.
Gehetzt drehte ich mich um. »Ihr seid einer von denen!«, stieß ich hervor.
»Nein, das bin ich nicht!«, erwiderte er sanft, aber eindringlich.
»Warum schließt Ihr mich dann ein?«, fauchte ich.
»Um dich zu schützen.«
»Wovor?«
Er griff nach einem Handspiegel auf einer Kommode. »In erster Linie vor dir selbst«, antwortete er leise.
Ich blickte in den Spiegel. Ich kannte meine ebenmäßigen Züge, die mir nie sonderlich interessant vorgekommen waren, obgleich sie jetzt seltsamerweise feiner und erhabener schienen. Aber das war es nicht, was mich mit eisigem Grauen erfüllte. Es waren meine glutroten Augen, die mir in dem Spiegel entgegen starrten. Rot wie die Augen des Peers am Hafen.
Ich wartete. Wartete, dass die Ohnmacht mich wieder umfing und wie das schützende Dunkel der Nacht vor diesem Grauen bewahrte. Doch ich verlor das Bewusstsein nicht. Ich musste das Grauen ertragen.
»Was haben sie mit mir gemacht?«, fragte ich tonlos.
Arlington sah mich mit seinem unergründlichen Blick an. »Ich musste eingreifen«, erklärte er dann fast ebenso tonlos. »Es hätte dich sonst getötet.«
Hasserfüllt blickte ich ihn an. »Ihr wart das?«
Arlington sah mich ruhig an. Sein Blick schien fast um Verständnis zu bitten.
Ich hatte kein Verständnis. Ich fegte durch das Zimmer wie eine Furie, zerstörte jeden Gegenstand, jedes Möbelstück, das ich in die Finger bekam. Arlington sah mir ruhig dabei zu, der Verlust seiner Einrichtung schien ihn nicht zu kümmern. Dennoch lag eine leise Trauer in seinem Blick. Ich rüttelte und zerrte auch an der Tür, doch diese schien das Einzige zu sein, das ich nicht kaputtmachen konnte.
Schließlich drehte ich mich zu Arlington um. Ich hasste ihn, aber ich wollte auch mehr wissen, wollte das Unfassbare begreifen.
»Was ist mit mir geschehen?«, fragte ich mit gezwungen ruhiger Stimme.
Arlington erklärte es mir. Er erklärte mir, dass die Peers am Hafen Vampire waren, und dass es ihnen egal gewesen war, in welchem Zustand sie mich hinterließen. Er erklärte mir auch, dass er zwar von derselben Art wie die Peers war, nur dass er sich entschlossen hatte, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich erfuhr, dass nun auch ich zu derselben Art gehörte und entscheiden musste, welchen Weg ich einschlagen wollte.
Ich begriff, dass ich ohne die Intervention Arlingtons bereits tot wäre, vielleicht war ich es ja sowieso auf eine gewisse Art und Weise. Arlington machte mir auch begreiflich, dass die mir bevorstehende Entscheidung die Schwerste meines Lebens sein könnte und dass ich möglicherweise immer wieder mit ihr hadern würde. Ich ahnte, dass er recht hatte, denn ich verspürte erneut den brennenden Durst in meiner Kehle und es erfüllte mich mit Grauen, dass es der Durst nach Blut war.
Wieder loderte ein Schmerz in mir. Doch diesmal war er nicht körperlich. Ich wusste, dass sich jetzt alles ändern würde. Ich wusste auch, dass ich meine Zieheltern nie mehr wiedersehen würde. Doch ich wusste nicht, was mir alles bevorstand.

Arlington hielt mich auch in den nächsten Tagen in dem Zimmer gefangen. Mir war klar, dass er es tat, damit ich nicht zur Mörderin wurde. Dennoch hasste ich ihn dafür. Ich hasste ihn auch, weil er mich zu dem gemacht hatte, was ich war. Vielleicht wäre der Tod doch die bessere Alternative gewesen.
Arlington sorgte dafür, dass ich ständig Nachschub an Blut erhielt. Ich wusste mittlerweile, dass es Tierblut war. Es löschte zwar meinen Durst, dennoch kehrte das Brennen in der Kehle nach einiger Zeit immer wieder zurück. Ich fragte mich, ob das ewig so weitergehen sollte.

Doch wider Erwarten fühlte ich mich nach einigen Tagen ruhiger. Das Brennen in meiner Kehle war noch da, aber es beherrschte nicht mehr mein ganzes Denken. Auch mein Hass und meine Wut schienen sich ein wenig abgekühlt zu haben. Da mein Geist wieder etwas klarer wurde, fiel mir auf, dass es noch so viel gab, das ich wissen musste.
Arlington betrat den Raum und bemerkte meinen fragenden Blick. Er sah mich prüfend an.
»Es geht dir besser«, stellte er fest.
Ich nickte nur.
»Und du hast Fragen«, fügte er hinzu.
Ich nickte erneut.
Seinen Mund umspielte ein amüsiertes Lächeln und er machte es sich auf einem Lehnsessel bequem, den er nach meiner Zerstörungsorgie in das Zimmer gebracht hatte.
»Nun denn«, er machte eine einladende Geste und schlug die Beine übereinander, »was möchtest du wissen?«
Ich musterte ihn eine Weile lang. Dann begann ich:
»Wie kann ich meinen Durst stillen, ohne Menschen zu verletzen?«
»Du wirst Tiere jagen. Welches Wild du bevorzugst, wirst du schnell herausfinden.«
Ich sah ihn skeptisch an. »Ich habe kein Talent zum Jagen.«
Er blinzelte belustigt. »Jetzt schon.« Er wies auf das Schlachtfeld der zerstörten Einrichtung, das ich im Raum hinterlassen hatte und welches von ihm nur notdürftig aufgeräumt worden war.
»Wie werde ich Menschen widerstehen können?«, fragte ich.
Sein Gesicht wurde wieder ernst. »Keine Angst. Das werden wir trainieren.«
Ich schwieg.
»War das alles?«, fragte er forschend.
»Nein.« Ich zögerte. »Warum habt Ihr mich nicht im Hafen liegen lassen? Und warum helft Ihr mir?«
Arlington sah nachdenklich aus dem Fenster. Dann lächelte er mich spöttisch an. »Dein Tod wäre solch eine Verschwendung gewesen. Und ich hasse Verschwendung.«
Ich biss die Zähne zusammen. »Dann sagt mir noch eines«, knurrte ich, »kennt Ihr die Peers, die mir dies angetan haben?«
Er sah nachdenklich auf seine gepflegten Finger. »Ja.«
»Und wer sind sie? Wo finde ich sie?«
Er lächelte mich herablassend an. »Das muss dich nicht interessieren.«
»Ich will es aber wissen!«, fauchte ich und stürzte mich auf ihn.
Ich weiß nicht genau, was ich vorgehabt hatte, zumindest hatte ich nicht erwartet, mich auf dem Boden wiederzufinden, während der Viscount mit seinem Gewicht meine Arme und Beine festhielt.
»Das ist auch etwas, was wir trainieren müssen«, sagte er stirnrunzelnd, »dein Temperament zu zügeln.«
Triumphierend bemerkte ich, dass es ihm offenbar gewisse Mühe bereitete, mich in Schach zu halten.
Dann stellte ich fest, dass sein Gesicht nur ein paar Fingerbreit über meinem schwebte. Er hatte unverschämt lange Wimpern. Mein Widerstand erlahmte. Arlington bemerkte es und ließ mich los.
Verärgert stand ich auf. »Also?«, fragte ich.
»Also was?«, erwiderte Arlington, der auch wieder aufgestanden war.
»Wer sind diese Peers und wo finde ich sie?«
Arlington seufzte gelangweilt. »Nun, offen gestanden: Sie sind tot.«
Ich riss überrascht die Augen auf. »Alle?«
»Ja, alle.«
»Aber wie …? Habt Ihr sie getötet?«
Er sah mich kalt an. »Keine weiteren Fragen«, erwiderte er und verließ den Raum.

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Zeitgenossen – Kampf gegen die Sybarites Band II

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Leseprobe

Prolog

Ich war eine Greisin. Zumindest dem Alter nach, denn seit meiner Geburt waren über 100 Jahre vergangen. Da ich jedoch mit 25 Jahren in eine Vampirin verwandelt wurde, sah man mir dies nicht an.
Der Vampir, der für meine Verwandlung verantwortlich war, hieß Giles. Ich hatte ihn zunächst für einen Feind gehalten und erst spät begriffen, dass er so gehandelt hatte, um mein Leben zu retten. Bald darauf hatten wir uns ineinander verliebt, was mich jedoch nicht davon abgehalten hatte, mich erneut mit ihm zu überwerfen. Mittlerweile wusste ich, dass ich Giles unrecht getan hatte, doch da hatte ich ihn bereits verloren.
Die Sybarites hingegen waren in der Tat meine Feinde. Für die Vampirsekte stand der Genuss menschlichen Blutes im Vordergrund und sie zelebrierten ihn auf die dekadenteste und abscheulichste Weise. Wer sich ihnen nicht anschließen wollte oder sich gar – wie meine Freunde und ich – nur von tierischem Blut ernährte, den verachteten und bekämpften sie.
Mein Plan, etwas gegen die grausamen Machenschaften der Sybarites zu unternehmen, hatte Giles und mich einst entzweit, doch ich war noch nicht so ganz bereit von dem Vorhaben abzulassen. Meine Freundin Maddy unterstützte mich dabei. In ihr hatte ich eine Gefährtin gefunden, auf die ich mich stets verlassen konnte, die mich aber dennoch auch sanft kritisierte, wenn es mal nötig war. Nachdem wir mit Francisco und Miguel zwei weitere Mitstreiter im Feldzug gegen die Sybarites aufgetan hatten, war es uns tatsächlich gelungen, uns als neue Mitglieder in die Sekte einzuschleusen. Zu diesem Zweck hatten Francisco und ich uns als Liebespaar ausgeben müssen und schon bald war aus dem Spiel Ernst geworden. Diese Affäre mit Francisco vereinfachte mein Gefühlsleben zwar nicht gerade, doch gab sie mir auch die Kraft, meine Maskerade vor den Sybarites aufrechtzuerhalten.
Jene Kraft hatte ich nicht zuletzt bei dem Festbankett benötigt, welches die Sybarites zu Ehren unserer Aufnahme in ihren Reihen veranstaltet hatten. Zu unserem Aufnahmeritual hatte es gehört, vor den Augen aller Mitglieder eine Jungfrau – unser sogenanntes Gastgeschenk – komplett auszusaugen. Und wenngleich es uns auch gelungen war, für diese Aufgabe zwar noch unberührte, aber dennoch keineswegs unschuldige Opfer aufzutreiben, so wussten wir gleichwohl, dass dies erst der Auftakt einer Reihe von Grausamkeiten mit unserer Beteiligung sein würde.

Bündnis

Am Morgen nach unserer Aufnahme bei den Sybarites besuchten uns Francisco und Miguel, um mit uns die Geschehnisse des Festbanketts zu besprechen.
»Sonderlich viele neue Informationen hat uns ja der gestrige Abend nicht unbedingt gebracht«, eröffnete ich das Gespräch.
»Hast du das erwartet?«, fragte Francisco überrascht. »Es war doch klar, dass wir zunächst einmal diese Aufnahmefeierlichkeiten über uns ergehen lassen mussten.«
»Ich weiß«, entgegnete ich missmutig. »Aber die ganze Verstellung angesichts dieser Abscheulichkeiten wäre mir ein wenig leichter gefallen, wenn wir wenigstens schon etwas mehr über die Organisation der Sybarites hätten erfahren können.«
»Immerhin sind wir ja alle morgen im Jardin du Luxembourg mit dem Marquis de Momboisse verabredet. Und er hat versprochen, uns alle ausführlich über die ›Freuden und Genüsse‹ der Sybarite-Mitgliedschaft zu unterrichten«, erklärte Maddy beschwichtigend.
»Richtig. Und da der Duc de Longueville ihn angewiesen hat, uns mit jeglicher Information, ›nach der es uns gelüstet‹, zu versorgen, können wir ihn mit unseren Fragen regelrecht löchern«, pflichtete Miguel ihr bei.
»Meinst du nicht, dass ihn das misstrauisch machen wird?«, gab Francisco zu bedenken.
»Nun, in deinem Fall vielleicht schon«, schaltete ich mich ein, »da du dich früher ja so oft dagegen gewehrt hast, ein Sybarit zu werden. Aber wenn Maddy und ich ihm wieder mit naiver Einfalt begegnen, wird er unsere Fragen für begeisterte Neugierde halten.«
Francisco sah mich ernst an. »Du weißt aber, dass dies wiederum viel Theaterspiel von dir verlangt?«, fragte er.
Ich seufzte resigniert. »Ich weiß. Aber uns allen war klar, dass wir jetzt auf lange Zeit sehr viel Theater spielen müssen.«
»Dann lasst uns besprechen, welche Informationen wir Momboisse entlocken wollen«, verkündete Miguel entschlossen. »Ich denke, zuallererst ist es wichtig, mehr über die Rangfolge und hierarchischen Strukturen der Organisation herauszufinden, nicht wahr? Wir wissen bereits, dass der Duc de Longueville Oberhaupt aller Sybarites weltweit ist und wir kennen Viscount Whitfield, der den englischen Sybarites vorsteht. Stellt sich die Frage, ob es noch einen separaten Anführer der französischen Sybarites gibt und welche Rolle der Marquis de Verneuil und der Comte de Trébuchon spielen? Und ob es noch andere hochrangige Mitglieder mit bestimmten Aufgaben gibt?«
»Ja, und wir sollte auch versuchen, mehr über ihre Wächter, die Mort-Vivants, herauszufinden«, fügte Maddy hinzu. »Wie viele von ihnen gibt es und wie mächtig sind sie?«
»Richtig. Darüber hinaus sind die Sybarites ja offenbar auch so gut organisiert, dass es wohl bestimmt noch weitere Helfershelfer gibt«, überlegte Francisco.
»Ich fand den Vertrag, den wir alle mit unserem Blut unterschreiben mussten, auch recht undurchsichtig«, stellte ich grübelnd fest. »Wir sollen den ›Interessen der Sybarites fortan oberste Priorität geben‹. Aber welche Interessen sind dies genau? Eigentlich geht es den Sybarites doch nur um das Vergnügen, oder? Wie weit gehen die ›Angelegenheiten und Unternehmungen‹, über die wir ›völliges Stillschweigen bewahren‹ sollen, nun wirklich?«
»Vermutest du, dass sie auch politische Ambitionen haben?«, fragte Francisco. »Das glaube ich nicht. Sie hätten ihre Macht sonst schon längst dahingehend missbrauchen können, haben aber nie dergleichen getan.«
»Vielleicht nicht, um offen über die Menschen zu regieren, da sie sich ihnen sowieso überlegen fühlen«, überlegte ich. »Aber vielleicht in der Form, dass sie sich ein politisches Klima sichern, dass es ihnen erlaubt, ihre Machenschaften ungestört zu verfolgen?«
Die drei sahen mich nachdenklich an.
»Gut möglich, dass du mit dieser Vermutung recht hast«, stimmte mir Miguel schließlich nach einer Weile zu. »Der Umstand, dass sie für ihre Veranstaltungen, Räumlichkeiten wie die Saint-Étienne-du-Mont nutzen können, deutet zumindest darauf hin, dass sie auch unter den Menschen hochrangige Handlanger haben. Keine Ahnung, ob sie sie durch Einschüchterung oder Bestechung dazu bringen, ihnen zu helfen.«
»Wir werden es herausfinden«, erklärte Francisco entschlossen.

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit dem Marquis de Momboisse im Jardin du Luxembourg. Der Jardin war ein großer, herrschaftlicher Schlosspark, den Maria von Medici vor vielen Jahren für ihr Landschloss hatte anlegen lassen. Er hatte große Baumbestände, zahlreiche Blumenrabatten und Wasserbecken und besaß dank der von der damaligen Schlossherrin angepflanzten Palmen auch ein gewisses italienisches Flair.
Wie immer nahezu euphorisch gestimmt kam Momboisse uns mit einem breiten Lächeln entgegen. »Ah, meine lieben Freunde! Nun, wie hat Ihnen unser bescheidenes Fest zu Ihren Ehren gefallen?«
Innerlich auf meine Rolle eingestimmt stieß ich ein albernes Kichern aus und stupste Momboisse neckisch in die Seite. »Bescheiden? Von wegen, Monsieur! Ich habe selten solch einer rauschenden Festivität beigewohnt.« Dann hakte ich mich bei ihm unter.
Momboisse lächelte geschmeichelt. »Sie alle haben sich aber auch auf das vortrefflichste in unsere Gemeinschaft eingefügt. Und Ihre Gastgeschenke waren geradezu exquisit! Wo haben Sie sie nur aufgetrieben?«
Derweil hakte sich Maddy auf seiner anderen Seite unter und lächelte ihn kokett an. »Das, mein teurer Monsieur de Momboisse, muss leider ein Geheimnis bleiben. Wir haben halt so unsere Quellen.«
Maddy und ich spannten unsere Sonnenschirmchen auf, dann spazierten wir mit Momboisse in unserer Mitte den Park entlang, rechts und links begleitet von Francisco und Miguel.
Momboisse gab sich bekümmert. »Schade, dass die Damen darüber schweigen wollen. Aber vielleicht können die Herren mir ein wenig mehr verraten?«, er neigte den Kopf zu Francisco. »Die Desmoiselles de Quignard waren ja ganz bezaubernde Geschöpfe«, fuhr er fort, ohne zu wissen, dass er für Mademoiselle Nymphéa genau dieselbe Bezeichnung wählte, wie sie selbst einst für die von ihr gequälten Kinder. »Erstaunlich, dass ich ihnen noch nie zuvor begegnet bin.«
»Dann seid Ihr offenbar noch nicht soviel herum gekommen wie wir«, antwortete Francisco ihm mit einem gespielt herzlichen Lächeln und log sodann: »Die Desmoiselles sind allerdings auch überaus behütet und zurückgezogen aufgewachsen.«
»Ich nehme an, dass Material dieser Güte einen ganz außergewöhnlichen Geschmack hatte?«, fragte Momboisse leicht neidisch.
»Ihr ahnt nicht annähernd, was dieser Genuss mir bedeutet hat«, antwortete Francisco mit blitzenden Zähnen.
»Monsieur de Momboisse, der Empfang war ein ganz außergewöhnliches Erlebnis für uns«, schaltete ich mich wieder in das Gespräch ein. »All diese kultivierten und hochrangigen Mitglieder! Und der Duc de Longueville ist ja eine beeindruckende Erscheinung! War er schon immer das Oberhaupt der Sybarites?«
»Soweit ich weiß, führt er unsere Organisation bereits seit dem 14. Jahrhundert«, überlegte Momboisse. »Die Oberhäupter davor hatten wohl kürzere Amtszeiten.«
»Was beendet denn die Amtszeit eines Oberhauptes?«, fragte Miguel.
»Eigentlich nur sein Tod. Dann tritt sein Nachfolger das Amt an«, erklärte Momboisse. »In dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ein Oberhaupt selbst einmal gegen die Regeln der Sybarites verstößt oder sich als illoyal erweist, kann es auch abgewählt werden. Aber das ist in unserer Historie erst zweimal passiert.«
»Wie lange gibt es denn die Sybarites überhaupt?«, wollte daraufhin Maddy wissen.
Momboisse lächelte stolz. »Oh, bereits seit dem Jahr 38 vor Christi. Damals kamen griechische Vampire aus Sybaris nach Lutetia, dem antiken Paris, und gründeten dort die Organisation, um dem Vampirismus einen angemessenen Rahmen zu geben.«
»Oh, wie wundervoll, dass wir nun alle einer so altehrwürdigen Gemeinschaft angehören«, heuchelte ich Begeisterung. »Und wer wählt das Oberhaupt und seine Nachfolger aus?«
»Dies tun bei unseren Untergruppen in Frankreich, England, Spanien, der Republik Venedig, Polen-Litauen, dem Zarentum Russland, Brandenburg-Preußen und dem Erzherzogtum Österreich jeweils die Sybarites mit der längsten Mitgliedschaft. Aus ihnen setzt sich dann auch ein Gremium zusammen, das das weltweite Oberhaupt bestimmt.«
»Und in anderen Ländern gibt es keine Sybarites?« hakte Francisco nach.
»Wozu?«, antwortete Momboisse verächtlich mit einer Gegenfrage. »Was sollen die Sybarites bei den Barbaren?«
»Also sind der Marquis de Verneuil und der Comte de Trébuchon die Nachfolger des Ducs?«, fragte ich.
Momboisse nickte. »Richtig. Außerdem sind sie auch seine Stellvertreter. Der Marquis steht an zweiter Stelle und der Comte an dritter. Sobald ein Nachfolger nachrückt, bestimmt das Gremium den nächsten, damit immer zwei Nachfolger zur Verfügung stehen.«
»Und die anderen Mitglieder müssen gar nichts tun?«, schaltete Maddy sich mit naivem Lächeln ein. »Ruht die ganze Verantwortung nur auf den armen Oberhäuptern?«
Momboisse grinste sie amüsiert an. »Nun, als ›arm‹ würde ich sie deswegen nicht unbedingt bezeichnen. Aber dennoch erhalten sie natürlich etwas Unterstützung von Mitgliedern, die bestimmte Ämter bekleiden. Ich zum Beispiel …«, er verneigte sich bescheiden, »… bin ein Maître de Embauchage, das heißt, ich kümmere mich darum, neue würdige Mitglieder zu finden, wie beispielsweise die Mesdames und Messieurs. Für die Damen das sicherlich interessanteste Amt ist vermutlich das des Maître de Divertissement, bekleidet von dem Comte de Baissac. Er plant unsere geselligen Zusammenkünfte, denkt sich unterhaltsame Vergnügungen aus, treibt für diesen Zweck entsprechende Örtlichkeiten auf und organisiert alles nötige Material. Unser Maître de Sécurité überwacht die Sicherheit unserer Organisation, sorgt dafür, dass niemand seine Verpflichtung zur Diskretion missachtet und rekrutiert unsere zuverlässigen Wächter, die Mort-Vivants.«
»Sind das diese riesenhaften Gestalten, die uns zu unserem Empfang begleitet haben?«, fragte Maddys neugierig. »Warum heißen Sie Mort-Vivants?«
Momboisse beugte sich verschwörerisch zu ihr herüber. »Weil sie erst nach ihrem Tod in Vampire verwandelt wurden. Ihr müsstet sie einmal sehen, wenn sie ihre Kapuzen lüften: ein unappetitlicher Anblick, besonders, wenn der Verwesungsprozess zum Zeitpunkt ihrer Verwandlung schon ein wenig fortgeschritten war.«
Maddy heuchelte Verblüffung. »Erst nach ihrem Tod? Wie ist denn so etwas möglich? Und wie kommt es, dass sie den Sybarites so ergeben sind?«
Momboisse sah sie nachdenklich an. »Ihr scheint Euch ja sehr für unsere Wächter zu interessieren.«
Maddy kicherte verlegen. »Ich gebe zu, dass ich eine Schwäche für morbide Themen habe.«
Momboisse grinste. »Dann unterhaltet Ihr Euch am besten einmal mit dem Comte de Radisset. Er ist als Maître de Sécurité für die Mort-Vivants zuständig.«
»Der Comte de Baissac hat ja mit der Wahl des Ortes für unser Empfangsbankett einen unvergleichlichen Geschmack bewiesen«, brachte ich nun ein weiteres Thema zur Sprache. »Die Saint-Étienne-du-Mont lieferte einen ebenso raffinierten wie stilvollen Rahmen für diesen Abend. Der Comte muss ganz hervorragende Verbindungen haben.«
Erneut versuchte Momboisse vergeblich, seinen Stolz über das Lob zu verbergen. »Oh, die hat er auch«, antwortete er kichernd. »Aber natürlich ist es für die Sybarites ein Leichtes, nützliche Verbindungen zu hochrangigen Mitgliedern aus Politik und Klerus herzustellen. Welcher Mensch von Verstand wäre nicht entzückt, unserer erhabenen Rasse zu Diensten zu sein?«
»Selbstverständlich«, pflichtete ich ihm bei. »Aber läuft man bei den schwachen Menschen – erst recht, wenn man ihnen gestattet, Mensch zu bleiben – nicht Gefahr, dass sie irgendwann ihrem Hang zur Indiskretion anheimfallen?«
Momboisse tätschelte fürsorglich meine Hand. »Diese Gefahr braucht Ihr nicht zu befürchten. Unser Maître de Recrutement – in diesem Fall ist es eine Maîtresse, weil die Comtesse de Garandout dieses Amt ehrenvoll erfüllt – sorgt dafür, dass die Menschen, die uns zu Diensten sind, ihre Verpflichtungen sehr ernst nehmen. Besteht dennoch einmal der Verdacht auf eine Indiskretion, so wird diese Gefahr von ihr im Keim erstickt.«
Francisco zwang sich zu einem anerkennenden Lächeln. »Es klingt ganz so, als seien die Sybarites de Sang perfekt organisiert.«
»Jahrhundertelange Übung macht nun mal den Meister«, antwortete Momboisse grinsend.
Nun gab ich vor, ein wenig zappelig zu werden und schalt meine Mitstreiter. »Jetzt haben wir den armen Marquis wirklich genug mit Fragen gelöchert.« Dann wandte ich mich noch einmal aufgeregt an Momboisse. »Monsieur verratet mir doch, wann wir an der nächsten Veranstaltung teilnehmen dürfen? Wird es wieder ein Festbankett sein? Oder welche raffinierten Lustbarkeiten hat der Maître de Divertissement noch im Angebot?«
Momboisse lächelte mich strahlend an. »Ich dachte schon, Ihr würdet mich dies nie fragen Mademoiselle. Die Sybarites veranstalten 14-täglich Festbankette und 14-täglich Hetzjagden im Bois de Vincennes, also im wöchentlichen Wechsel jeweils ein Bankett und eine Hetzjagd.«
»Hetzjagden?«, fragte ich erstaunt.
Er zwinkerte mir vergnügt zu. »Natürlich, meine Liebe. Wir wollen unseren Mitgliedern doch das Vergnügen nicht nehmen, ihre Beute auch regelmäßig selbst erlegen zu können.«
»Aber ist das nicht viel zu auffällig?«, gab Miguel zu bedenken.
»Selbstverständlich nicht, teurer Freund! Es wird von uns immer alles tadellos vorbereitet und das Gelände entsprechend abgesichert.«
Momboisse wandte sich wieder mir zu. »Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch diverse andere Veranstaltungen wie zum Beispiel Orgien oder kleine Schaukämpfe. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei und wir achten darauf, dass keines der Gelüste unserer Mitglieder unbefriedigt bleibt. In den nächsten Tagen wird Ihnen unser monatliches Programm ins Haus flattern.«
Maddy gab Momboisse in gespielter Herzlichkeit die Hand. »Monsieur, ich spreche mit Sicherheit für uns alle, wenn ich Euch sage, dass wir diesen Veranstaltungen mit großem Vergnügen entgegenblicken.«
Daraufhin verabschiedete sich Momboisse mit einem vergnügten Augenzwinkern von uns allen und versprach, uns für weitere Fragen jederzeit mit Rat und Tat beiseite zu stehen.
Francisco sah ihm nachdenklich hinterher. »Wenn er nicht so widerwärtig wäre, könnte man ihn glatt für sympathisch halten.«

Wie von Momboisse vorhergesagt, brachte uns am übernächsten Tag ein Bote das umfangreiche monatliche Veranstaltungsprogramm der Sybarites. Es enthielt die Termine und Örtlichkeiten für die von Momboisse erwähnten Festbankette und Hetzjagden sowie weitere Hinweise auf diverse Veranstaltungen, darunter verschiedene Orgien, Vorführungen und Ausflüge. In einem Begleitschreiben erläuterte Momboisse uns, dass die Teilnahme bei den meisten Veranstaltungsarten freiwillig war, abgesehen von den Levers und den Chambres Ardente.
Bei den Levers handelte es sich um Morgenempfänge des Duc de Longueville, die dieser einmal im Monat in seinen Privatgemächern abhielt. Hierbei hört er sich die Belange seiner Mitglieder an und traf wichtige Entscheidungen, während er seiner Morgentoilette nachging.
Die Chambres Ardente waren Gerichtsverhandlungen unter dem Vorsitz des Ducs, die abgehalten wurden, wenn ein Mitglied maßgeblich gegen die Regeln der Sybarites verstoßen hatte. Den Erläuterungen Momboisses zufolge fanden Verhandlung, Urteilsverkündung und Vollstreckung des Urteils im Rahmen einer einzigen Veranstaltung statt, für die für jedes Mitglied Anwesenheitspflicht bestand. So eine Verhandlung sollte laut Programm in zweieinhalb Wochen stattfinden.
Obwohl es uns nicht leicht fiel, vereinbarten wir mit Francisco und Miguel, zunächst keine der Veranstaltungen auszulassen, damit wir möglichst viel über die inneren Strukturen der Sybarites herausfinden konnten. Darüber hinaus sollte Francisco versuchen, sich mit der Comtesse de Garandout anzufreunden, um in Erfahrung zu bringen, welche Menschen alle in den Diensten der Sybarites standen, und Maddy beabsichtigte, über den Comte de Radisset mehr über die Mort-Vivants herauszufinden.
Es war wichtig für uns, zu erforschen, wie weit die Macht der Sybarites reichte und ob es mögliche Schwachstellen gab, die wir uns zunutze machen konnten.

Als Nächstes stand eine Hetzjagd im Bois de Vincennes auf dem Programm. Allem Anschein nach arbeitete der Marquis de Sourches, der als Schlossvogt den Gardes de la Prévôté vorstand und somit die Oberaufsicht über die königlichen Residenzen und Gärten hatte, auch für die Sybarites. Folglich bereitete es dem Maître de Divertissement keinerlei Schwierigkeiten, das Waldgebiet des Bois für die vierzehntäglichen Hetzjagden abriegeln zu lassen.
Wir trafen uns um Mitternacht mit den anderen Mitgliedern auf einer kleinen Lichtung, auf der der Comte de Baissac ein paar Fackeln hatte installieren und für die etwas müßigeren Teilnehmer ein paar Sessel, Chaiselongues und andere Sitzgelegenheiten hatte aufstellen lassen. Gemächlich schlenderten wir von Gruppe zu Gruppe, um andere Mitglieder zu begrüßen, deren Bekanntschaft wir schon geschlossen hatten.
Fast hätte man meinen können, dass es sich um eine zwanglose Soiree in stimmungsvollem Ambiente und nicht um ein blutrünstiges Jagdvergnügen gehandelt hätte.
Unterdessen wurde ein großer Käfig herangekarrt, in dem etwa drei Dutzend junge Männer und Frauen eingepfercht waren und sich mit schreckverzerrten Gesichtern umschauten.
Ich ließ meinen Blick über die anwesenden Mitglieder streifen, die die Ankunft des Käfigs mit beifälligem Gemurmel begrüßten. Als ich ein Stück weiter eine kleine Gruppe erblickte, in der ein Mann von vier Frauen umringt in amüsantes Geplauder vertieft war, erstarrte ich.
Der Mann war äußerst aufgetakelt, trug eine affektierte, stark gepuderte Perücke, sowie ein Lorgnon und hatte – wenn mich nicht alles täuschte – sogar ein wenig Rouge benutzt.
Dennoch bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass es sich um Giles handelte.
Maddy bemerkte, dass ich mich abrupt versteifte, und beugte sich besorgt zu mir herüber. »Was ist los?«, flüsterte sie.
»Dort ist Giles!«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Ich fühlte mich wie gelähmt.
Francisco merkte ebenfalls, dass etwas mit mir nicht stimmte, und legte schützend einen Arm um mich. Dann sah er sich stirnrunzelnd um. Ich hatte ihm nie von Giles erzählt.
Mittlerweile schien Giles meinen Blick gespürt zu haben und blickte in meine Richtung. Für einen Augenblick schien er kurz innezuhalten, dann beugte er sich schmunzelnd zu der Dame zu seiner Linken herüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Ich erkannte die Dame als Marquise d’Elineau, die uns bei unserer Aufnahmefeier vorgestellt worden war. Sie sah jetzt ebenfalls zu uns herüber, lächelte freundlich und führte Giles in unsere Richtung.
»Sie kommen hier her!«, flüsterte ich entsetzt.
»Du schaffst das«, beruhigte Maddy mich. »Wir sind alle hier.«

Ende der Leseprobe

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Zeitgenossen – Pakt mit den Rittern des Dan Band III

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Prolog

Manchmal warf ich mir selbst eine gewisse Sorglosigkeit vor. Eine Sorglosigkeit gegenüber dem Faktor Zeit, der für einen Sterblichen doch so wichtig war. Nun gut, als Vampirin war ich natürlich unsterblich. Zumindest beinahe, denn ein paar Dinge gab es doch, die uns Vampire verletzen oder gar töten konnten. Zwar stagnierte unser biologisches Alter ab dem Moment unserer Verwandlung, wir waren gegen Krankheiten immun und unsere Selbstheilungskräfte ließen nahezu jede Verwundung in kürzester Zeit heilen.
Jedoch konnte uns ein starker Gegner, beispielsweise ein anderer Vampir, im Kampf durch eine Enthauptung töten und auch gegen Feuer waren wir keineswegs gefeit. Verwundungen, die uns durch Waffen oder Munition aus Silber zugefügt wurden, blockierten unsere Selbstheilungskräfte – dadurch wurde Silber zu einem mächtigen Instrument für unsere Feinde.
Die grausamste Art, einen Vampir umzubringen, war allerdings der Biss eines Mort-Vivants, da jener Biss einen Vampir in Sekundenschnelle altern und zu Staub zerfallen ließ. Mort-Vivants waren Kreaturen, die erst nach ihrem Tod in Vampire verwandelt wurden. Wie genau diese Verwandlung funktionierte, haben meine Freunde und ich jedoch leider noch nicht herausfinden können. Unglückseligerweise besaßen die Sybarites, eine mächtige und grausame Vampirsekte, die wir uns zum Feind gemacht hatten, Kenntnis über das Geheimnis jener Verwandlung. Zumindest wussten ein paar hochrangige Mitglieder der Sybarites, wie man einen Mort-Vivant erschafft.
Dafür wussten leider wiederum die Ritter des Dan, wie gefährlich Silber für uns Vampire werden konnte. Die Ritter des Dan waren ein Geheimbund von Vampirjägern, dessen Ziel es zu sein schien, alle Vampire komplett zu vernichten. Sie waren menschlich und besaßen erstaunlich gute Kenntnisse über uns, deren Ursprung wir uns bislang noch nicht erklären konnten.

Angesichts solch mächtiger Feinde war es gut, dass ich gleichfalls einige langjährige und enge Freunde hatte. Einige von ihnen kannte ich inzwischen schon ein paar Jahrhunderte lang, gemeinsam mit mir hatten sie Freud und Leid, ebenso wie manches Abenteuer erlebt – das hatte die Bande zwischen uns natürlich gefestigt.
Einer der wichtigsten Freunde war beispielsweise Giles. Er hatte mich damals in eine Vampirin verwandelt, um mein Leben zu retten, als ein paar Sybarites mich überfallen und fast getötet hatten. Meine Beziehung zu Giles war nicht unproblematisch, denn ich liebte ihn und war ihm möglicherweise auch nicht ganz gleichgültig – dennoch gab es immer wieder große Differenzen zwischen uns, die uns dazu brachten, eine Zeitlang getrennte Wege zu gehen.
In solchen Phasen suchte ich gerne das Gespräch mit meiner Freundin Maddy. Sie hatte mir als Vampirin schon ein paar Jahrhunderte voraus und unterstützte mich nicht selten durch weise Ratschläge. Francisco und Miguel waren weitere wichtige Gefährten, die uns seinerzeit im Kampf gegen die Sybarites zur Seite standen. Francisco und ich hatten damals eine kurze Affäre, da ich Giles in jener Zeit verloren wähnte. Miguel wiederum hatte sich zu dieser Zeit in Maddy verliebt und sie sich ebenso in ihn. Die beiden führten inzwischen schon seit über einem Jahrhundert eine harmonische und beneidenswerte Beziehung.
Meine vergleichsweise jüngste Freundschaft bestand mit Fergus, denn wir kannten uns erst ein paar Jahrzehnte. Fergus hatte ich über Giles kennengelernt, und seitdem ich erkannt hatte, dass er trotz seiner übermütigen Scherze ein aufrichtiger und zuverlässiger Freund war, verstanden wir uns blendend. Fergus war zudem der erste Gestaltwandler, den ich kennenlernen durfte, und die Tatsache, dass er sich bei Bedarf in einen Gerfalken verwandeln konnte, machte seine Gesellschaft immer wieder zu einem Erlebnis.

Alle jene Freunde waren ebenso wie ich Vampire. Ich hatte auch menschliche Freunde gehabt und bei vielen von ihnen ihren Tod miterleben müssen, was jedes Mal eine schmerzvolle Erfahrung für mich gewesen war. Im Beisein meiner Vampir-Freunde hingegen vergaß ich meine eigene Unsterblichkeit und Alterslosigkeit schon hin und wieder, da sie ja ebenso wenig alterten wie ich.
Und genau darin bestand meine eingangs erwähnte gelegentliche Sorglosigkeit. Erst kürzlich war mir wieder bewusst geworden, dass ich mich bereits sehr lange an ein und demselben Ort aufhielt und meinem Umfeld – insbesondere meinen menschlichen Freunden – langsam auffallen musste, dass ich gar nicht alterte. Der Ort war in diesem Fall meine geliebte Heimatstadt London und ich war daher mal wieder genötigt, ihn für eine Weile zu verlassen. Da Giles auf unbestimmte Zeit nach Indonesien aufgebrochen war, fiel mir dies gleichwohl nur bedingt schwer.
Wir schrieben das Jahr 1840 und ich hatte mich entschlossen, Maddy und Miguel zu besuchen, die derzeit auf Mallorca weilten. Kurz vor meiner Abreise hatte ich erfahren, dass Francisco inzwischen ebenfalls dort lebte, und war ein wenig besorgt, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Wir hatten uns nach unserer Affäre nie ausgesprochen und damals war mir auch noch nicht klar gewesen, dass meine Gefühle für ihn nie mit denen für Giles konkurrieren konnten. Trotzdem freute ich mich darauf, Francisco wiederzutreffen und hoffte, dass wir einander immer noch als Freunde in die Augen blicken würden.

Nachdenklich

Die Sonne stand weit oben am Himmel, als mein Segelschiff in den Hafen von Palma de Mallorca einlief. Die mächtige Kathedrale La Seu dominierte den Anblick der Stadt, da sie alle umliegenden Gebäude, selbst den benachbarten Almudaina-Palast, hoch überragte.
Maddy und Miguel warteten am Hafen auf mich. Miguel lächelte freundlich und Maddy grinste so freudestrahlend und fröhlich von einem Ohr zum anderen, dass ich ebenfalls mit einem Schlag gute Laune bekam.
Kaum hatte das Schiff angelegt, liefen wir aufeinander zu und umarmten uns. »Könnt ihr hellsehen?«, fragte ich die beiden lachend. »Wie konntet ihr wissen, dass das Schiff genau jetzt eintrifft? Oder habt ihr etwa die ganze Zeit am Hafen gewartet?«
»Das war gar nicht nötig!«, erklärte Maddy verschmitzt und wies auf ein paar Türme und Dächer, die rechts hinter der Kathedrale auszumachen waren. »Du kannst unseren Stadtpalast von hier aus sehen. Naja, zumindest den kleinen Aussichtsturm davon. Javier, einer unserer Diener, hatte die Order, von dort aus regelmäßig nach deinem Schiff Ausschau zu halten. Daher war es für uns ein Leichtes, rechtzeitig hier zu sein!«

So beharrlich und heiß die Sonne auch vom Himmel schien, das Gewirr der engen Gassen, das wir hinter der Kathedrale auf dem Weg zu Maddys und Miguels Haus durchschritten, durchdrang sie nicht. Die vielen großen und imposanten Stadtpaläste standen so dicht beieinander, dass sie sich gegenseitig Schatten spendeten. Als ich nach oben blickte, erschienen mir manche der Häuser so eng gebaut, dass die Bewohner zweier gegenüberliegender Paläste sich von ihren kleinen Balkonen aus die Hände hätten reichen können.
»Diese Bauweise sorgt sicherlich für wohltuende Kühle«, fragte ich Maddy interessiert, »aber ist es dadurch auf Dauer nicht ein wenig finster? Das Tageslicht wird ja fast schon komplett ausgeschlossen.«
»Das Licht hält sich an einem anderen Ort versteckt«, antwortete Maddy mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Du wirst es gleich sehen.« Mit diesen Worten deutete sie auf die schwere Holztür eines weiteren wunderschönen Palastes, die Miguel nun aufschloss. Wir durchschritten einen breiten Gang und standen im nächsten Moment in einem riesigen, lichtdurchfluteten Innenhof, der von ionischen Marmorsäulen und barocken Rundbögen eingefasst war. In der Mitte des Innenhofes stand ein wundervoller alter Steinbrunnen, drum herum waren diverse massive Tontöpfe mit Palmen und Agaven aufgestellt und von der Galerie in der ersten Etage wucherten ringsum üppige gelbe und magentafarbene Bougainvilleas in den Hof herunter. Zwei große gegenüberliegende Freitreppen führten die Galerie hinauf und an einer Seite entdeckte ich ein breites schmiedeeisernes Gitter, das auf eine Seitengasse hinausführte und offenbar für die Einfahrt von Kutschen gedacht war.
»Fast alle großen Häuser hier haben diese Innenhöfe«, erklärte Maddy, als sie meinen begeisterten Blick bemerkte, »sie ermöglichen es den Einwohnern, im Freien zu sein und dennoch etwas Privatsphäre zu wahren.«
Doch war der Innenhof nicht das einzig Eindrucksvolle an dem Anwesen von Maddy und Miguel. Es hatte zudem sehr viele bezaubernde und von den beiden sehr behaglich eingerichtete Zimmer und bot Maddy darüber hinaus ausreichend Platz für ein riesiges und umfassend ausgestattetes Laboratorium. »Auf Mallorca wächst eine faszinierende Vielfalt besonderer Kräuter und Pflanzen«, schwärmte sie begeistert. »Ich habe bei weitem noch nicht alle erkunden und untersuchen können. Allerdings ist jetzt in der heißen Jahreszeit natürlich bereits vieles davon verblüht. Aber da du ja hoffentlich erstmal ein Weilchen bei uns bleiben wirst, wirst du noch in den Genuss kommen, die üppige Blütenpracht hier im Frühjahr zu bewundern. Die Mandelblüte zum Beispiel beginnt oft schon im Februar und ihr Anblick erwärmt einem einfach das Herz.«
Maddys Worte hatten mir einen Aspekt meines Aufenthaltes hier ins Gedächtnis gerufen, der mich noch ein wenig verunsicherte. »Ich bin noch nicht ganz sicher, wie lange ich hier bleiben werde«, entgegnete ich zögernd. »Denkst du, dass meine Anwesenheit hier jedermann recht ist?«
Maddy sah mich zunächst verblüfft an. Dann begriff sie, worauf ich anspielte. »Du meinst Francisco? Naja, du weißt, dass er sein Herz nicht gerade auf der Zunge trägt, aber als er von Miguel erfuhr, dass du uns hier besuchen wirst, schien er ernsthaft erfreut zu sein.«
Skeptisch sah ich sie an. »Er weiß sicherlich inzwischen, dass ich all die Jahre mit Giles zusammengelebt habe?«, fragte ich.
Maddy nickte. »Natürlich hat er Miguel gefragt, wie es dir in der Zwischenzeit so ergangen ist. Und Miguel hat es ihm erzählt. Daher weiß er auch, dass Giles und du im Moment gerade wieder getrennte Wege gehen. Ich hoffe, dass macht dir nichts aus?« Sie sah mich unsicher an.
»Nein, selbstverständlich nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Sonst hätte Miguel ihn ja anlügen müssen. Glaubst du, dass er sich möglicherweise noch Hoffnungen auf mich macht?«
Maddy zuckte mit den Schultern. »Eigentlich wirkte er ziemlich entspannt. Er schien weder einen Groll gegen dich zu hegen, noch schien ihn deine bevorstehende Ankunft sonderlich aufzuwühlen. Aber das würde er sich vermutlich andererseits kaum anmerken lassen.«
Ich nickte zögernd. »Ich werde es wohl einfach drauf ankommen lassen müssen, wenn wir uns wiederbegegnen. Lebt er denn hier in der Nähe?«
»Er hat ein Stadthaus hier in Palma, etwas kleiner als unseres«, antwortete Maddy, »aber die meiste Zeit verbringt er in Sóller, wo er eine wunderschöne Finca und eine riesige Orangenplantage besitzt.«
Ich sah Maddy erstaunt an. »Francisco baut Orangen an?«
Maddy schmunzelte über meine Überraschung. »Ja. Allem Anschein nach hat er wohl ziemlich turbulente Zeiten erlebt, darum war es ihm ganz recht, mal ein paar ruhigere Jahre zu verbringen. Aber das soll er dir lieber alles selbst erzählen. Wenn du einverstanden bist, machen wir morgen einen Ausflug nach Sóller und besuchen ihn dort?«
Entschlossen reckte ich mein Kinn in die Höhe. »Gerne! Man soll sich seinen Herausforderungen stellen!«
Maddy kicherte. »Gemma, du hast schon in so vielen Situationen unerschrockenen Mut bewiesen. Nur, wenn es um Gefühle geht, bist du ein Hasenfuß.«
Gespielt beleidigt streckte ich ihr die Zunge heraus. Dann brachen wir beide in Lachen aus.

 

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